Beiträge des österreichischen Arbeitgebers an eine österreichische betriebliche Vorsorgekasse als Arbeitslohn
BFH v. 13.2.2020 - VI R 20/17
Der Sachverhalt:
Zum 1.8.2013 hatten die klagenden zusammenveranlagten Eheleute ihren Wohnsitz aus Österreich nach Deutschland verlegt und dabei ihre jeweilige Beschäftigung in Österreich beibehalten. Der österreichische Arbeitgeber des Klägers hatte gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes der Republik Österreich (BMSVG) Beiträge i.H.v. 1,53 % des Bruttolohns an dessen betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) geleistet und die Höhe dieser Beiträge gesondert, neben den weiteren Lohnzuwendungen, bescheinigt.
Durch die Leistung der Beiträge erwarb der Kläger als Arbeitnehmer (§ 3 Nr. 2 BMSVG) sog. Abfertigungsanwartschaften (§ 3 Nr. 3 BMSVG), die im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 14 Abs. 1 BMSVG) in unterschiedlicher Weise (§ 17 BMSVG) zur Auszahlung gelangen können. Die Auszahlung ist an verschiedene Bedingungen geknüpft (§ 14 Abs. 2 BMSVG). Ein Verfall der geleisteten Beiträge ist nicht vorgesehen. Im Fall des Todes des Arbeitnehmers erhalten die nächsten Familienangehörigen die geleisteten Beiträge ausbezahlt, auch wenn die besonderen Voraussetzungen für die Auszahlung nach § 14 Abs. 2 BMSVG nicht vorliegen (§ 14 Abs. 5 BMSVG).
Das Finanzamt rechnete dem vom Kläger als Grenzgänger bezogenen Bruttoarbeitslohn die von seinem Arbeitgeber gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG gezahlten Beiträge in den Streitjahren hinzu. Für die Ehefrau, ebenfalls Grenzgängerin, wurde (nur) für das Streitjahr 2013 ein Zurechnungsbetrag errechnet, der sich allerdings auf die Höhe der festzusetzenden Steuer nicht auswirkte.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gehören. Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht. Demgegenüber stellt die Entrichtung des gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberanteils zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung eines Arbeitnehmers keinen gegenwärtig zufließenden Arbeitslohn dar. Denn der einzelne pflichtversicherte Arbeitnehmer erfährt durch die Zahlung weder einen individuellen Mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs.
Vor diesem Hintergrund gilt, dass die von einem österreichischen Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer geleisteten Beiträge an den zuständigen Träger der Krankenversicherung zur Weiterleitung an eine BV-Kasse i.S.d. § 6 BMSVG nach deutschem Recht steuerbarer Arbeitslohn sind, der dem Arbeitnehmer auch i.S.d. des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen ist. Das FG ist hier im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass eine Steuerbefreiung nach § 3 Nrn. 56 und 63 EStG nicht in Betracht kommt. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 56 EStG ist nicht einschlägig, weil dort eine Zuwendung zum Aufbau einer nicht kapitalgedeckten, d.h. umlagefinanzierten betrieblichen Altersvorsorge vorausgesetzt wird. Eine solche lag im Streitfall nach dem österreichischen Recht aber nicht vor. § 3 Nr. 63 EStG befreit unter weiteren Voraussetzungen Beiträge des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge in Gestalt einer Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistung. Um eine solche Versorgungsleistung geht es hier ebenfalls nicht.
Ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der BV-Beitrag nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei ist, konnte infolge fehlender Feststellungen des FG nicht abschließend überprüft werden. Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. Das gilt auch, wenn die Verpflichtung auf ausländischen Gesetzen (hier dem BMSVG) beruht. Dabei sind die in § 3 Nr. 62 Satz 1 2. und 3. Alternative EStG genannten Zukunftssicherungsleistungen, also die Arbeitgeberbeiträge aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften oder aufgrund einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung, den auf sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften beruhenden Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 62 Satz 1 1. Alternative EStG) gleichgestellt. Soweit das FG festgestellt hat, dass es sich bei den streitigen Zahlungen um Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers handelt, hielt dies einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das FG war insoweit davon ausgegangen, es handele sich bei dem BV-Beitrag um eine finanzielle Absicherung für den Fall des Verlusts des Arbeitsplatzes und damit um eine Zukunftssicherungsleistung i.S.d. Norm. Diese Auslegung ist jedoch von den Feststellungen zum ausländischen Recht nicht gedeckt. Der Abfertigungsanspruch ist nicht an die Arbeitslosigkeit geknüpft.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu prüfen haben, ob es sich bei den Beiträgen, die ein österreichischer Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG an eine BV-Kasse leistet, um eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherungsleistung handelt. Voraussetzung hierfür ist, dass die österreichische BV-Kasse nach ihrer Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Qualifizierung mit der Absicherung über die inländische Sozialversicherung vergleichbar ist. Nur im Falle einer solchen Vergleichbarkeit wären die streitigen Beiträge nach § 3 Nr. 62 Satz 1 2. Alternative EStG steuerfrei. Sollte es nach Ansicht des FG an einer entsprechenden Vergleichbarkeit fehlen und es sich bei den streitigen Beiträgen nach dem BMSVG deshalb um in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn handeln, so führt dies gegenwärtig nicht zu einer Doppelbesteuerung, da Deutschland insoweit das alleinige Besteuerungsrecht zusteht und die Beiträge in Österreich bis zur Höhe von 1,53 % zudem nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören.
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Zum 1.8.2013 hatten die klagenden zusammenveranlagten Eheleute ihren Wohnsitz aus Österreich nach Deutschland verlegt und dabei ihre jeweilige Beschäftigung in Österreich beibehalten. Der österreichische Arbeitgeber des Klägers hatte gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes der Republik Österreich (BMSVG) Beiträge i.H.v. 1,53 % des Bruttolohns an dessen betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) geleistet und die Höhe dieser Beiträge gesondert, neben den weiteren Lohnzuwendungen, bescheinigt.
Durch die Leistung der Beiträge erwarb der Kläger als Arbeitnehmer (§ 3 Nr. 2 BMSVG) sog. Abfertigungsanwartschaften (§ 3 Nr. 3 BMSVG), die im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 14 Abs. 1 BMSVG) in unterschiedlicher Weise (§ 17 BMSVG) zur Auszahlung gelangen können. Die Auszahlung ist an verschiedene Bedingungen geknüpft (§ 14 Abs. 2 BMSVG). Ein Verfall der geleisteten Beiträge ist nicht vorgesehen. Im Fall des Todes des Arbeitnehmers erhalten die nächsten Familienangehörigen die geleisteten Beiträge ausbezahlt, auch wenn die besonderen Voraussetzungen für die Auszahlung nach § 14 Abs. 2 BMSVG nicht vorliegen (§ 14 Abs. 5 BMSVG).
Das Finanzamt rechnete dem vom Kläger als Grenzgänger bezogenen Bruttoarbeitslohn die von seinem Arbeitgeber gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG gezahlten Beiträge in den Streitjahren hinzu. Für die Ehefrau, ebenfalls Grenzgängerin, wurde (nur) für das Streitjahr 2013 ein Zurechnungsbetrag errechnet, der sich allerdings auf die Höhe der festzusetzenden Steuer nicht auswirkte.
Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gehören. Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang - wirtschaftlich betrachtet - so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht. Demgegenüber stellt die Entrichtung des gesetzlich geschuldeten Arbeitgeberanteils zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung eines Arbeitnehmers keinen gegenwärtig zufließenden Arbeitslohn dar. Denn der einzelne pflichtversicherte Arbeitnehmer erfährt durch die Zahlung weder einen individuellen Mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Vermögenszuwachs.
Vor diesem Hintergrund gilt, dass die von einem österreichischen Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer geleisteten Beiträge an den zuständigen Träger der Krankenversicherung zur Weiterleitung an eine BV-Kasse i.S.d. § 6 BMSVG nach deutschem Recht steuerbarer Arbeitslohn sind, der dem Arbeitnehmer auch i.S.d. des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen ist. Das FG ist hier im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass eine Steuerbefreiung nach § 3 Nrn. 56 und 63 EStG nicht in Betracht kommt. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 56 EStG ist nicht einschlägig, weil dort eine Zuwendung zum Aufbau einer nicht kapitalgedeckten, d.h. umlagefinanzierten betrieblichen Altersvorsorge vorausgesetzt wird. Eine solche lag im Streitfall nach dem österreichischen Recht aber nicht vor. § 3 Nr. 63 EStG befreit unter weiteren Voraussetzungen Beiträge des Arbeitgebers an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge in Gestalt einer Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgungsleistung. Um eine solche Versorgungsleistung geht es hier ebenfalls nicht.
Ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass der BV-Beitrag nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei ist, konnte infolge fehlender Feststellungen des FG nicht abschließend überprüft werden. Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. Das gilt auch, wenn die Verpflichtung auf ausländischen Gesetzen (hier dem BMSVG) beruht. Dabei sind die in § 3 Nr. 62 Satz 1 2. und 3. Alternative EStG genannten Zukunftssicherungsleistungen, also die Arbeitgeberbeiträge aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften oder aufgrund einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung, den auf sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften beruhenden Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 62 Satz 1 1. Alternative EStG) gleichgestellt. Soweit das FG festgestellt hat, dass es sich bei den streitigen Zahlungen um Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers handelt, hielt dies einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das FG war insoweit davon ausgegangen, es handele sich bei dem BV-Beitrag um eine finanzielle Absicherung für den Fall des Verlusts des Arbeitsplatzes und damit um eine Zukunftssicherungsleistung i.S.d. Norm. Diese Auslegung ist jedoch von den Feststellungen zum ausländischen Recht nicht gedeckt. Der Abfertigungsanspruch ist nicht an die Arbeitslosigkeit geknüpft.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG zu prüfen haben, ob es sich bei den Beiträgen, die ein österreichischer Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG an eine BV-Kasse leistet, um eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherungsleistung handelt. Voraussetzung hierfür ist, dass die österreichische BV-Kasse nach ihrer Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Qualifizierung mit der Absicherung über die inländische Sozialversicherung vergleichbar ist. Nur im Falle einer solchen Vergleichbarkeit wären die streitigen Beiträge nach § 3 Nr. 62 Satz 1 2. Alternative EStG steuerfrei. Sollte es nach Ansicht des FG an einer entsprechenden Vergleichbarkeit fehlen und es sich bei den streitigen Beiträgen nach dem BMSVG deshalb um in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn handeln, so führt dies gegenwärtig nicht zu einer Doppelbesteuerung, da Deutschland insoweit das alleinige Besteuerungsrecht zusteht und die Beiträge in Österreich bis zur Höhe von 1,53 % zudem nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören.