Berücksichtigung des Zählkindervorteils in einer "Patchwork-Familie"
BFH 25.4.2018, III R 24/17Der Kläger ist der Vater einer im März 2016 geborenen Tochter. Er lebt mit der Kindsmutter in nichtehelicher Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt. Zu dem Haushalt gehören auch die beiden 2009 und 2012 geborenen ehelichen Kinder der Lebensgefährtin des Klägers.
Die Familienkasse setzte auf Antrag des Klägers ab März 2016 Kindergeld für die gemeinsame Tochter i.H.v. 190 € fest. Der Kläger begehrte allerdings 196 € Kindergeld, da die Tochter schließlich als sein drittes Kind zu berücksichtigen sei. Dies lehnte die Familienkasse ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Zählkindervorteil i.H.v. 6 € pro Monat zusteht.
Ob das Kind beim Kindergeldberechtigten berücksichtigt werden kann, richtet sich nach § 63 Abs. 1 EStG. Die Kinder der Lebensgefährtin des Klägers sind jedoch weder leibliche Kinder noch Adoptivkinder des Klägers und fallen damit nicht unter § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Sie sind auch keine Pflegekinder. Denn dies würde nach der im Klammerzusatz des § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG enthaltenen Legaldefinition des Begriffes des Pflegekinds u.a. voraussetzen, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht. Im Streitfall befanden sich die Kinder aber noch in einem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu ihrer leiblichen Mutter, der Lebensgefährtin des Klägers, so dass ein Pflegekindschaftsverhältnis ausscheidet. Da der Kläger mit seiner Lebensgefährtin nicht verheiratet ist, scheidet auch eine Berücksichtigung der Kinder nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG aus.
Die Kinder der Lebensgefährtin des Klägers begründen auch keinen Zählkindervorteil beim Kläger, da keiner der Tatbestände des § 63 Abs. 1 S. 1 EStG einschlägig ist. Die genannten Konkurrenzregelungen (insbesondere §§ 64, 65 EStG) kommen nicht zur Anwendung, da sie die grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes voraussetzen.
Entgegen der Auffassung des Klägers wird ihm durch einen von der Lebensgefährtin für die Tochter gestellten Kindergeldantrag auch nicht die Möglichkeit genommen, im Rahmen der Vergleichsrechnung des § 31 S. 4 EStG in den Genuss der - angesichts seiner Einkommensverhältnisse möglicherweise günstigeren - Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG zu gelangen. Gem. § 32 Abs. 6 S. 1 EStG steht jedem Elternteil ein Kinderfreibetrag und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zu. Die Freibeträge werden im Rahmen dieser Vergleichsrechnung bei der Veranlagung unabhängig davon berücksichtigt, ob und ggf. für welchen Elternteil Kindergeld festgesetzt wurde. Hinsichtlich der Günstigerprüfung sieht § 31 S. 4 Hs. 2 EStG vor, dass bei nicht zusammenveranlagten Eltern der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt wird. Das hat zur Folge, dass einem Elternteil, dem der einfache Kinderfreibetrag zusteht, der halbe Anspruch auf Kindergeld zugerechnet wird. Die Anrechnung dieses halben Kindergeldanspruchs erfolgt jedenfalls dem Grunde nach unabhängig davon, ob und ggf. für wen im Kindergeldverfahren Kindergeld festgesetzt wurde.
Es begegnet zuletzt auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass einem in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebenden Elternteil im Hinblick auf die in seinem Haushalt lebenden, bei ihm kindergeldrechtlich nicht zu berücksichtigenden Kinder des anderen Elternteils der Zählkindervorteil versagt wird, während einem Stiefelternteil dieser Zählkindervorteil für die Kinder seines Ehegatten gewährt wird. Soweit die steuerliche Behandlung einer aus Ehegatten und Kindern bestehenden Familie mit der steuerlichen Behandlung der "Patchwork-Familie" verglichen wird, fehlt es bereits an einer Schlechterstellung.
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