Berücksichtigung von Verlusten aus Vollrisikozertifikaten
BFH v. 29.10.2019 - VIII R 16/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger wurden im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung, in der sie u.a. einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG n.F. gestellt hatten, erklärte der Kläger neben Kapitalerträgen auch einen Verlust i.H.v. rd. 42.000 € aus der Veräußerung von Zertifikaten, deren Emittent die Bank X war. Die Zertifikate hatte der Kläger am 2.11.2007 bzw. am 2.1.2008 für insgesamt 51.000 € von der A-Bank erworben. Der Wert der Zertifikate hing von der Entwicklung des Dow Jones EURO STOXX 50® Index ab, wobei die Partizipation an einer positiven Entwicklung auf 50,4 % limitiert war. Sollte der Index am ersten Beobachtungstag, dem 28.11.2008, mindestens auf dem Niveau von 90 % seines Kurses vom 31.10.2007, d.h. dem am anfänglichen Bewertungstag festgestellten Ausgangswert, notieren, dann sollte es zu einer vorzeitigen Rückzahlung kommen und der Anleger sollte den Nominalbetrag plus 8,4 % erhalten.
Sollte der offizielle Schlusskurs des Dow Jones EURO STOXX 50® Index am ersten Beobachtungstag unter 90 % des offiziellen Schlusskurses vom 31.10.2007 notieren, sollte das Zertifikat bis zum nächsten Beobachtungstag weiterlaufen. Der Überprüfungsvorgang sollte sich wiederholen; insgesamt waren fünf Beobachtungstage vorgesehen. Letzter Bewertungstag war der 30.11.2012. Die maximale Laufzeit war bis zum 7.12.2012 festgelegt. Blieb der Index während des Beobachtungszeitraums stets über der Barriere von 50 % des Ausgangswertes, sollte der Anleger rd. 1.500 € pro Zertifikat erhalten. Wurde diese Barriere einmal berührt oder unterschritten und lag der Schlusskurs des Index am letzten Bewertungstag unter 90 % des Ausgangswertes, hing der Rückzahlungsbetrag am Laufzeitende von der Entwicklung des Dow Jones EURO STOXX 50® Index zwischen anfänglichem Bewertungstag und abschließendem Bewertungstag ab. In diesem Fall könne es - so der Hinweis - im Extremfall zu einem Totalverlust kommen. Laut Prospekt waren keine laufenden Zahlungen (Vorschüsse o.Ä.) vorgesehen.
Nach der Insolvenz des Emittenten übertrug der Kläger die Zertifikate auf der Grundlage eines mit der B-Bank als Rechtsnachfolgerin der A-Bank vor dem OLG geschlossenen Vergleiches vom 22.5.2012 Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages "i.H.v. 10.200 € abzgl. der Ausschüttungen auf die Zertifikate i.H.v. rd. 1.300 € und 315" auf die B-Bank. Damit sollten alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien im Zusammenhang mit der Zeichnung der Zertifikate sowie etwaige Schadenersatzansprüche aus der Geschäftsbeziehung erledigt sein. Das Finanzamt berücksichtigte den erklärten Verlust aus der Veräußerung der Zertifikate bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr nicht. Die aufgrund des Vergleiches erfolgte Zahlung der B-Bank unterwarf das Finanzamt jedoch der Besteuerung gem. § 20 Abs. 3 EStG n.F.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und änderte den Einkommensteueränderungsbescheid 2012 dahin, dass die Einkommensteuer 2012 ohne Ansatz einer Entschädigungszahlung i.H.v. rd. 8.500 € und unter Berücksichtigung eines Verlustes von 40.800 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen festgesetzt wird. Im Übrigen wies der BFH die Klage ab.
Die Gründe:
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. ist der Gewinn aus der Veräußerung einer unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. fallenden sonstigen Kapitalforderung steuerbar. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist gem. § 20 Abs. 4 und Abs. 6 EStG n.F. auch ein negativer Gewinn - ein Veräußerungsverlust - erfasst.
Zu den Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG n.F. gehören Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG n.F.). Als Veräußerung gilt gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erfasst auch Erträge aus reinen Spekulationsanlagen (Vollrisikozertifikate), da sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Höhe der Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängen darf. Bei den Zertifikaten handelt es sich um Vollrisikozertifikate und damit um Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. Denn bei ihnen war sowohl die Rückzahlung des Kapitalvermögens als auch die Ertragserzielung unsicher.
Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. ist die entgeltliche Übertragung des - zumindest wirtschaftlichen - Eigentums auf einen Dritten. Weitere Tatbestandsmerkmale als den entgeltlichen Rechtsträgerwechsel enthält das Gesetz nicht. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung ist daher insbesondere weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. An einer Veräußerung fehlt es jedoch, wenn das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft rückabgewickelt wird. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. ist im Streitfall anwendbar, obwohl der Kläger die Zertifikate bereits im November 2007 bzw. Januar 2008 erworben hatte. Dies folgt aus § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 17 EStG). Im Streitfall waren die Voraussetzungen des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. erfüllt und die vom Kläger veräußerten Zertifikate keine Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. Denn die streitigen Zertifikate, bei denen weder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens noch die Rückzahlung des investierten Kapitals zugesagt war, fallen nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. Eine Qualifizierung der Zertifikate als sog. Finanzinnovation i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG a.F. schied daher ebenfalls aus.
Der Kläger hatte die Zertifikate am 2.11.2007 bzw. am 02.01.2008 angeschafft und am 22.5.2012 veräußert, so dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. erfüllt sind und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. Anwendung findet. Die Anwendung des § 20 Abs. 2 EStG n.F. war auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. im Einzelfall dazu führen kann, dass Vollrisikozertifikate, die - wegen des Ablaufs der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. - steuerentstrickt waren, infolge der Regelung des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. erneut steuerverstrickt werden. Denn im Streitfall lag keine unechte Rückwirkung vor, da im Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate am 2.11.2007 bzw. am 2.1.2008 das UntStRefG 2008 - und damit auch die Regelungen der §§ 20 Abs. 2, 52a EStG n.F. - bereits in Kraft war, so dass die gesetzliche Grundlage für eine Verlustberücksichtigung feststand.
Der eingelegten Klage war daher im Wesentlichen stattzugeben. Beim Kläger war ein Veräußerungsverlust gem. § 20 Abs. 2, Abs. 4, Abs. 6 EStG n.F. zu berücksichtigen. Von den Einnahmen aus der Veräußerung sind nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. die Anschaffungskosten abzuziehen, so dass sich ein Verlust i.H.v. 40.800 € ergab (Anschaffungskosten i.H.v. 51.000 € abzgl. Einnahmen aus der Veräußerung i.H.v. 10.200 €). Der Verlust ist gem. § 20 Abs. 6 EStG n.F. verrechenbar. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG n.F. steht einer Verlustverrechnung nicht entgegen. Diese Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG n.F. vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzuges. Eine solche Gefahr war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der BFH stellte heraus, dass es reiner Formalismus wäre, in diesem Fall für die Verlustverrechnung eine Bescheinigung gem. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG n.F. zu verlangen.
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Die Kläger wurden im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung, in der sie u.a. einen Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG n.F. gestellt hatten, erklärte der Kläger neben Kapitalerträgen auch einen Verlust i.H.v. rd. 42.000 € aus der Veräußerung von Zertifikaten, deren Emittent die Bank X war. Die Zertifikate hatte der Kläger am 2.11.2007 bzw. am 2.1.2008 für insgesamt 51.000 € von der A-Bank erworben. Der Wert der Zertifikate hing von der Entwicklung des Dow Jones EURO STOXX 50® Index ab, wobei die Partizipation an einer positiven Entwicklung auf 50,4 % limitiert war. Sollte der Index am ersten Beobachtungstag, dem 28.11.2008, mindestens auf dem Niveau von 90 % seines Kurses vom 31.10.2007, d.h. dem am anfänglichen Bewertungstag festgestellten Ausgangswert, notieren, dann sollte es zu einer vorzeitigen Rückzahlung kommen und der Anleger sollte den Nominalbetrag plus 8,4 % erhalten.
Sollte der offizielle Schlusskurs des Dow Jones EURO STOXX 50® Index am ersten Beobachtungstag unter 90 % des offiziellen Schlusskurses vom 31.10.2007 notieren, sollte das Zertifikat bis zum nächsten Beobachtungstag weiterlaufen. Der Überprüfungsvorgang sollte sich wiederholen; insgesamt waren fünf Beobachtungstage vorgesehen. Letzter Bewertungstag war der 30.11.2012. Die maximale Laufzeit war bis zum 7.12.2012 festgelegt. Blieb der Index während des Beobachtungszeitraums stets über der Barriere von 50 % des Ausgangswertes, sollte der Anleger rd. 1.500 € pro Zertifikat erhalten. Wurde diese Barriere einmal berührt oder unterschritten und lag der Schlusskurs des Index am letzten Bewertungstag unter 90 % des Ausgangswertes, hing der Rückzahlungsbetrag am Laufzeitende von der Entwicklung des Dow Jones EURO STOXX 50® Index zwischen anfänglichem Bewertungstag und abschließendem Bewertungstag ab. In diesem Fall könne es - so der Hinweis - im Extremfall zu einem Totalverlust kommen. Laut Prospekt waren keine laufenden Zahlungen (Vorschüsse o.Ä.) vorgesehen.
Nach der Insolvenz des Emittenten übertrug der Kläger die Zertifikate auf der Grundlage eines mit der B-Bank als Rechtsnachfolgerin der A-Bank vor dem OLG geschlossenen Vergleiches vom 22.5.2012 Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages "i.H.v. 10.200 € abzgl. der Ausschüttungen auf die Zertifikate i.H.v. rd. 1.300 € und 315" auf die B-Bank. Damit sollten alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien im Zusammenhang mit der Zeichnung der Zertifikate sowie etwaige Schadenersatzansprüche aus der Geschäftsbeziehung erledigt sein. Das Finanzamt berücksichtigte den erklärten Verlust aus der Veräußerung der Zertifikate bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr nicht. Die aufgrund des Vergleiches erfolgte Zahlung der B-Bank unterwarf das Finanzamt jedoch der Besteuerung gem. § 20 Abs. 3 EStG n.F.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und änderte den Einkommensteueränderungsbescheid 2012 dahin, dass die Einkommensteuer 2012 ohne Ansatz einer Entschädigungszahlung i.H.v. rd. 8.500 € und unter Berücksichtigung eines Verlustes von 40.800 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen festgesetzt wird. Im Übrigen wies der BFH die Klage ab.
Die Gründe:
Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. ist der Gewinn aus der Veräußerung einer unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. fallenden sonstigen Kapitalforderung steuerbar. Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ist gem. § 20 Abs. 4 und Abs. 6 EStG n.F. auch ein negativer Gewinn - ein Veräußerungsverlust - erfasst.
Zu den Kapitalforderungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG n.F. gehören Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG n.F.). Als Veräußerung gilt gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. erfasst auch Erträge aus reinen Spekulationsanlagen (Vollrisikozertifikate), da sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Höhe der Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängen darf. Bei den Zertifikaten handelt es sich um Vollrisikozertifikate und damit um Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. Denn bei ihnen war sowohl die Rückzahlung des Kapitalvermögens als auch die Ertragserzielung unsicher.
Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. ist die entgeltliche Übertragung des - zumindest wirtschaftlichen - Eigentums auf einen Dritten. Weitere Tatbestandsmerkmale als den entgeltlichen Rechtsträgerwechsel enthält das Gesetz nicht. Die Erfüllung des Tatbestands der Veräußerung ist daher insbesondere weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. An einer Veräußerung fehlt es jedoch, wenn das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft rückabgewickelt wird. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. ist im Streitfall anwendbar, obwohl der Kläger die Zertifikate bereits im November 2007 bzw. Januar 2008 erworben hatte. Dies folgt aus § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. (jetzt: § 52 Abs. 28 Satz 17 EStG). Im Streitfall waren die Voraussetzungen des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. erfüllt und die vom Kläger veräußerten Zertifikate keine Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. Denn die streitigen Zertifikate, bei denen weder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens noch die Rückzahlung des investierten Kapitals zugesagt war, fallen nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. Eine Qualifizierung der Zertifikate als sog. Finanzinnovation i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG a.F. schied daher ebenfalls aus.
Der Kläger hatte die Zertifikate am 2.11.2007 bzw. am 02.01.2008 angeschafft und am 22.5.2012 veräußert, so dass auch die weiteren Voraussetzungen des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. erfüllt sind und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG n.F. Anwendung findet. Die Anwendung des § 20 Abs. 2 EStG n.F. war auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. im Einzelfall dazu führen kann, dass Vollrisikozertifikate, die - wegen des Ablaufs der Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. - steuerentstrickt waren, infolge der Regelung des § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG n.F. erneut steuerverstrickt werden. Denn im Streitfall lag keine unechte Rückwirkung vor, da im Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate am 2.11.2007 bzw. am 2.1.2008 das UntStRefG 2008 - und damit auch die Regelungen der §§ 20 Abs. 2, 52a EStG n.F. - bereits in Kraft war, so dass die gesetzliche Grundlage für eine Verlustberücksichtigung feststand.
Der eingelegten Klage war daher im Wesentlichen stattzugeben. Beim Kläger war ein Veräußerungsverlust gem. § 20 Abs. 2, Abs. 4, Abs. 6 EStG n.F. zu berücksichtigen. Von den Einnahmen aus der Veräußerung sind nach § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG n.F. die Anschaffungskosten abzuziehen, so dass sich ein Verlust i.H.v. 40.800 € ergab (Anschaffungskosten i.H.v. 51.000 € abzgl. Einnahmen aus der Veräußerung i.H.v. 10.200 €). Der Verlust ist gem. § 20 Abs. 6 EStG n.F. verrechenbar. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG n.F. steht einer Verlustverrechnung nicht entgegen. Diese Vorschrift, nach der Verluste aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen, nur verrechnet werden dürfen, wenn eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG n.F. vorliegt, dient der Verhinderung eines doppelten Verlustabzuges. Eine solche Gefahr war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der BFH stellte heraus, dass es reiner Formalismus wäre, in diesem Fall für die Verlustverrechnung eine Bescheinigung gem. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG n.F. zu verlangen.