Berücksichtigungsfähigkeit eines volljährigen Kindes beim Kindergeld während der Fortbildung zum/zur Steuerfachwirt/in
Niedersächsisches FG 17.10.2017, 13 K 76/17Der Kläger und F sind die Eltern ihrer Töchter A (geboren 1991) und B. Nach dem von der Steuerberaterkammer im Jahr 2010 ausgestellten Prüfungszeugnis bestand A die Prüfung im Ausbildungsberuf "Steuerfachangestellte/r". Seit 2010 geht die Tochter A einer Erwerbstätigkeit mit mehr als 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit nach. Im Jahr 2016 teilte A der Familienkasse mit, mit der Berufsausbildung zur Steuerfachangestellten ihr Berufsziel "Steuerfachwirt/in" noch nicht erreicht zu haben. Die aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil bestehende Prüfung zum/zur "Steuerfachwirt/in" wird von der Steuerberaterkammer abgenommen. Die Steuerberaterkammer Z führt die mündliche Prüfung einmal jährlich im Dezember auf der Grundlage "Prüfungsordnung und Anforderungskatalog für die Fortbildungsprüfung zum/zur Steuerfachwirt/in" durch.
Die Tochter des Klägers wies in ihrem Schreiben außerdem darauf hin, dass nach der Prüfungsordnung für ihr Berufsziel die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung im Beruf "Steuerfachangestellte/r" Voraussetzung sei. Für die Ausbildung "Steuerfachwirt/in" sei überdies eine dreijährige Berufserfahrung als "Steuerfachangestellte/r" erforderlich. Der erste Abschluss sei hiernach integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges. A habe sich schon seit 2012 um einen "Schulplatz" für die Ausbildung "Steuerfachwirt/in" bemüht. Sie habe jedoch erst an einem Vorbereitungslehrgang auf die Steuerfachwirtprüfung 2014/2015 teilnehmen können, welchen das L-Institut ab 2013 in C veranstaltet habe. Leider habe sie die im Jahre 2014 abgelegte Prüfung nicht bestanden.
Anschließend habe A einen vom M-Institut veranstalteten Kurs besucht. An der Prüfung 2015 habe sie ebenfalls erfolglos teilgenommen. Die nächste Prüfung finde im Dezember 2016 statt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 3.7.2014 (III R 52/13) begehre sie die Festsetzung von Kindergeld für die zurückliegenden vier Jahre. A fügte ihrem Schreiben, das die Familienkasse als Kindergeldantrag des Klägers auffasste, mehrere Unterlagen - hierunter eine Bescheinigung des L-Instituts aus dem Jahre 2016 - bei. Die Familienkasse bat den Kläger um Vorlage weiterer Unterlagen und Nachweise. Auch auf zwei Erinnerungsschreiben kam der Kläger dieser Bitte nicht nach. Daraufhin lehnte die Familienkasse den Antrag des Klägers auf Festsetzung von Kindergeld ab August 2012 ab. Der Kläger habe die erforderlichen Antragsunterlagen und -nachweise nicht vorgelegt.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Die Gründe:
Die Berücksichtigung der Tochter des Klägers ist ab August 2012 ausgeschlossen, weil A eine erstmalige Berufsausbildung ("Steuerfachangestellte/r") abgeschlossen hatte und während ihrer nachfolgenden (Zweit-) Ausbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" mehr als 20 Stunden in der Woche arbeitete (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG).Die Familienkasse hat zu Recht eine einheitliche Ausbildung verneint und damit die Fortbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" nicht mehr als Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG angesehen.
Die Berufsausbildung "Steuerfachangestellte/r" und die Fortbildung zum Beruf "Steuerfachwirt/in" stellen nicht notwendig eine Ausbildungseinheit dar, weil sich erst nach einer Berufstätigkeit als "Steuerfachangestellte/r" der zweite Ausbildungsabschnitt anschließen kann. Die Zulassung zur Fortbildungsprüfung zum/zur "Steuerfachwirt/in" setzt eine berufspraktische Erfahrung im Beruf "Steuerfachangestellte/r" von wenigstens drei Jahren voraus. Es handelt sich damit - wie auch die Bezeichnung der Prüfungsordnung nahelegt - um eine die berufliche Erfahrung berücksichtigende Fortbildungsmaßnahme (Zweitausbildung). Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt.
Vorliegend fehlt es an einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten ebenso wie in den Fällen, in denen das Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient, weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte beginnen können. Wird somit eine Berufstätigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten aufgenommen, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, können die einzelnen Ausbildungsabschnitte regelmäßig nicht mehr integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sein.
Nach diesen Maßstäben sieht der BFH ein berufsbegleitendes Studium an der "Verwaltungsakademie" in der Fachrichtung "Betriebswirt/in (VWA)", welches eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit voraussetzt, nicht mehr als Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG an. Das berufsbegleitende Studium stellt sich nicht als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar. Für die Fortbildung zum/zur "Steuerfachwirt/in" kann wegen der Vergleichbarkeit mit dem Berufsziel "Betriebswirt/in (VWA)" nichts anders gelten.
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