Beschränkte Einkommensteuerpflicht: Arbeitnehmertätigkeit für ein privates Unternehmen zur Förderung der Entwicklungshilfe
BFH 28.3.2018, I R 42/16Streitig ist, ob (und inwieweit) ein von seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit einem aus öffentlichen Mitteln finanzierten Projekt in das Ausland entsandter Arbeitnehmer im Inland beschränkt steuerpflichtig ist. Der Kläger, ein bei der inländischen B-Partnerschaftsgesellschaft angestellter Ingenieur, wurde im Rahmen seines Anstellungsvertrags für die Zeit vom 1.9.2008 bis zum 30.6.2011 - unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes - für das Projekt D nach Kenia entsandt. Grundlage dieser Tätigkeit war ein Consulting-Vertrag zwischen seinem Arbeitgeber und der E-GmbH (später: F-GmbH), einem bundeseigenen privatrechtlich organisierten, gemeinnützigen und weltweit tätigen Unternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige Entwicklung.
In diesem Vertrag ist der Kläger namentlich angeführt "als Langzeitfachkraft im Einsatzland bis zu 15,000 FM" (Fachkräftemonate), wobei insoweit ein kalkulatorischer Pauschalbetrag (z.B. "Fachkraftmonat-Verrechnungssatz" lt. "Preisblatt E-GmbH Komponente") in die Ermittlung der Honorarhöhe im Rahmen des Consulting-Vertrags eingeflossen ist. Das Projekt wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie aus Mitteln der EU (sog. EU-Komponente) finanziert. Seinen Arbeitslohn erhielt der Kläger ausschließlich von seinem Arbeitgeber, der den Lohn wiederum aus den Vergütungen der E-GmbH/F-GmbH finanzierte. Das Finanzamt sah den an den Kläger gezahlten Arbeitslohn als inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG an und setzte die Einkommensteuer für die Streitjahre nach Maßgabe der beschränkten Steuerpflicht fest.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Das FG hat zu Unrecht dahin erkannt, dass der Kläger nicht beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG) sei, weil er in den Streitjahren keine inländischen Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG erzielt habe.
Der Kläger ist beschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG), weil er in den Streitjahren inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG erzielt hat. Als inländische Einkünfte zu qualifizieren sind auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die aus inländischen öffentlichen Kassen einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens und der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein Zahlungsanspruch gegenüber der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss. Vorliegend hat das FG die von der GmbH an den Arbeitgeber des Klägers gezahlten Mittel als Zahlungen aus einer inländischen öffentlichen Kasse ohne Rücksicht darauf qualifiziert, dass die Mittel sowohl aus dem Bundeshaushalt als auch (zu einem nicht näher festgestellten Anteil) aus dem Haushalt der EU bereitgestellt worden waren.
Anknüpfungspunkt für den Besteuerungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG als sog. Inlandsbezug ist der Zahlungsvorgang zulasten der inländischen Volkswirtschaft, insbesondere des Fiskus und Kassenstaates (sog. Kassenstaatsprinzip). Zweck der Vorschrift ist es, Besteuerungslücken zu schließen, die entstehen, wenn ein Arbeitnehmer nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S. des § 1 Abs. 2 und 3 EStG ist und Einkünfte mit einem entsprechenden Inlandsbezug erzielt. Der Besteuerungszugriff korrespondiert mit Zahlungen aus inländischen Haushaltsmitteln und der Belastung des inländischen öffentlichen Haushalts. Dies hat zur Folge, dass eine Besteuerung nicht in Betracht kommt, soweit die Arbeitsvergütung anteilig aus EU-Mitteln ("EU-Komponente" des Projekts) finanziert wird. Demgemäß wird das FG, das weder die vertragliche Grundlage der EU-Finanzierung noch die anteilige Höhe der EU-Mittel festgestellt hat, den Sachverhalt insoweit im zweiten Rechtsgang aufzuklären haben.
Der Steuerpflicht des Klägers mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steht auch nicht entgegen, dass zwischen dem Klägern und dem Träger der inländischen öffentlichen Kasse kein Dienstverhältnis bestanden hat. Auch wenn die Zahlung nach dem Gesetzeswortlaut mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden muss, um die beschränkte Einkommensteuerpflicht zu begründen, wird ein Dienstverhältnis zum Kassenträger für die Steuerpflicht nicht vorausgesetzt. Vielmehr kann das konkrete Dienstverhältnis auch zu einem privatrechtlich organisierten und/oder ausländischen Arbeitgeber bestehen. Es reicht aus, wenn das im Ausland gezahlte Arbeitsentgelt der auszahlenden Stelle durch die öffentliche Kasse erstattet wird.
Die Einnahmen des Klägers wurden auch aus öffentlichen Kassen "mit Rücksicht auf ein konkretes und gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt". Denn der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass zwischen der Arbeitgeberin des Klägern und der GmbH der projektbezogene Einsatz namentlich angeführter Personen vereinbart wurde, und eine Kürzung der Einsatzzeiten zu einer Kürzung des Honorarvolumens geführt hätte. Bei einem solchen Sachverhalt steht nicht eine Projektleistung im Vordergrund, sondern der konkrete Einsatz der Arbeitnehmer. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Arbeitnehmereinsatz des Klägern als Pauschalbetrag in die Kalkulation des Honorarvolumens eingeflossen ist. Dass im Honorarvolumen neben den konkreten Arbeitsvergütungen auch mit dem Dienstverhältnis im Zusammenhang stehende "Gemeinkosten" vergütet werden, beeinträchtigt den Bezug zu dem konkreten Dienstverhältnis - und damit zu den Einkünften des Klägers - nicht. Ob der inländischen Besteuerung Abkommensrecht entgegensteht, konnte der BFH nicht abschließend beurteilen.
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