17.05.2021

Besteuerung von Scheinrenditen aus Schneeballsystemen bei vom Betrüger einbehaltener Kapitalertragsteuer

Die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG tritt auch dann ein, wenn die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Kapitaleinkünfte zwar einbehalten, nicht aber beim FA angemeldet und an dieses abgeführt wurde. Dies hat zur Folge, dass Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem in diesem Fall grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen sind.

Kurzbesprechung
BFH v. 29.09.2020 - VIII R 17/17
BFH v. 27.10.2020 - VIII R 42/18
BFH v. 27.10.2020 - VIII R 3/20

EStG § 2 Abs. 5b, § 11 Abs. 1 S. 1, § 32d Abs. 3, § 20, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 Buchst. b, § 43 Abs. 5, § 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 Buchst. a DBuchst. aa
GG Art. 3 Abs. 1,
KredWG § 1 Abs. 1a, § 32


Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen unterliegen im Rahmen eines Schneeballsystems der Besteuerung, wenn der Anleger über diese, z.B. durch eine Wiederanlage (Novation), verfügen kann und der Schuldner der Kapitalerträge zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn das Schneeballsystem zu einem späteren Zeitpunkt zusammenbricht und der Anleger sein Geld verliert.

Nach Auffassung des BFH ist jedoch nicht nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Anlegers abzustellen, sondern auch bei der Frage, ob die Abgeltungswirkung für die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) eintritt.

Konnte der Anleger davon ausgehen, dass die Scheinrenditen dem Steuerabzug unterlegen haben, ist die Einkommensteuer abgegolten. Dies gilt auch dann, wenn die Kapitalertragsteuer von dem Betrüger nicht beim FA angemeldet und abgeführt wurde und dieser keine Genehmigung nach § 32 des Kreditwesengesetzes hatte. Die Scheinrenditen sind dem Anleger in diesem Fall allerdings in voller Höhe, also auch unter Berücksichtigung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer zugeflossen, da der Einbehalt für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgte.

Der BFH stellte klar, dass es sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung noch aus der Gesetzessystematik ergibt, dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG erst dann eintritt, wenn die nach § 43 Abs. 1 EStG einbehaltene Kapitalertragsteuer beim FA angemeldet und an dieses abgeführt wird. Entsprechende tritt die Abgeltungswirkung auch dann ein, wenn die Kapitalerträge aus Scheinrenditen aus der Sicht des Anlegers durch den Steuerabzug der Kapitalertragsteuer unterlegen und die Voraussetzungen für den Ausschluss der Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 Sätze 10 und 11 und Abs. 5 und § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG nicht vorgelegen haben.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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