Besteuerungsrecht Deutschlands für Arbeitslohn eines niederländischen Berufskraftfahrers
FG Düsseldorf 13.11.2018, 10 K 2203/16 EDer Kläger ist bei einer Firma in den Niederlanden als Berufskraftfahrer beschäftigt. In den Streitjahren 2013 und 2014 war er mit Lkws seines Arbeitgebers in den Niederlanden, in Deutschland, in Belgien, in Frankreich und in der Schweiz unterwegs. Im Streitjahr 2013 war er an insgesamt 130 von 219 Arbeitstagen sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland unterwegs, im Streitjahr 2014 war dies an 102 von 228 Arbeitstagen der Fall.
Der Kläger legte zusammen mit den Steuererklärungen als "Fahrtenbuch" bezeichnete, von seinem Arbeitgeber abgezeichnete monatliche Aufstellungen für die Streitjahre vor, aus denen für jeden Arbeitstag unter Angabe der jeweiligen Orte die zurückgelegte Fahrtstrecke, die dabei durchfahrenen Staaten und die Zeitpunkte der Grenzübertritte hervorgingen. Dabei ermittelte er für 2013 einen in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitslohn von rund 1.899 € (4,110 %) und für 2014 einen solchen von 3.412 € (7,456 %). Dabei ging er davon aus, dass das Besteuerungsrecht an Tagen, an denen er zumindest einen Teil der Fahrtstrecke in den Niederlanden zurückgelegt hatte, den Niederlanden zustehe.
Das Finanzamt sah das Besteuerungsrecht der Niederlande dagegen nur für den Teil des Arbeitslohns als gegeben an, der auf Tage entfiel, an denen der Kläger eine ausschließlich durch die Niederlande führende Fahrtstrecke zurückgelegt hatte. Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der auf ausschließlich außerhalb der Niederlande zurückgelegte Fahrtstrecken entfiel, stehe Deutschland zu. Soweit der Kläger an ein und demselben Tag eine sowohl durch die Niederlande als auch durch andere Staaten führende Fahrtstrecke zurückgelegt habe, sei das Besteuerungsrecht je hälftig auf die Niederlande und auf Deutschland aufzuteilen.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat den Arbeitslohn, den der Kläger in den Streitjahren bezogen hatte, in jeweils zutreffendem Umfang der Besteuerung und dem Progressionsvorbehalt unterworfen.
In den Fällen, in denen der Berufskraftfahrer seinen Wohnsitz in Deutschland hat, sein Arbeitgeber aber in einem anderen Vertragsstaat ansässig ist, steht Deutschland das Besteuerungsrecht für die Vergütungen aus unselbständiger Arbeit zu, die auf Tätigkeiten des Berufskraftfahrers im Inland entfallen. Soweit der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in dem Staat ausübt, in dem der Arbeitgeber ansässig ist, ist die Anwendung des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 b OECD-MA nicht vorliegen.
Mit jedem Tätigwerden des Berufskraftfahrers im Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers steht diesem als Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht insoweit zu (Art. 15 Abs. 1 OECD-MA). Übt der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit in einem Drittstaat aus, d.h. weder in Deutschland noch in dem Staat, in dem der Arbeitgeber ansässig ist, steht das Besteuerungsrecht für die auf den Drittstaat entfallenden Arbeitsvergütungen im Verhältnis zum Ansässigkeitsstaat des Arbeitgebers Deutschland als Wohnsitzstaat des Berufskraftfahrers zu. Soweit die Tätigkeit im jeweiligen Drittstaat an nicht mehr als 183 Tagen ausgeübt wird, verbleibt das Besteuerungsrecht regelmäßig bei Deutschland.
Infolgedessen hat das Finanzamt die Einkünfte des Klägers zutreffend insoweit besteuert, als sie Tage betreffen, in denen der Kläger seine Tätigkeit ausschließlich in Deutschland oder in einem anderen Staat als den Niederlanden (Drittstaat) erbracht hat. Soweit der Kläger während eines Arbeitstages sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland und/oder in einem Drittstaat Fahrtstrecken zurückgelegt hat, war die Vergütung dafür aufzuteilen. Diese Aufteilung muss zwar nicht zwingend hälftig erfolgen, wie das BMF-Schreiben vom 19.9.2011 (IV B 3 - S 1301 - LUX/07/10002 2011/0736274, BStBl I 2011, 849) zum deutsch-luxemburgischen DBA unter Ziff. 4 der Anlage 1 vertritt. Die Aufteilung hat vielmehr im Verhältnis der jeweiligen Arbeitsstunden zu erfolgen.
Die vom Kläger vorgelegten, als Fahrtenbuch bezeichneten Aufzeichnungen enthielten jedoch keine Angaben zu den im jeweils durchfahrenen Staat erbrachten Arbeitsstunden. Der Kläger hatte dort lediglich die Uhrzeit des Grenzübertritts angegeben. Angaben dazu, wann er wo mit dem Fahrzeug losgefahren war, wann er es am jeweiligen Arbeitstag endgültig abgestellt hatte, wann er Lenkzeitenunterbrechungen hatte und wie hoch die tägliche Höchstlenkzeit war, enthielten die Aufzeichnungen nicht. In einem solchen Fall ist der Umfang der Tätigkeit im jeweiligen Staat nach § 162 Abs. 1 AO zu schätzen. Anhaltspunkte für eine andere als die vom Beklagten vorgenommene Schätzung, die zu einer hälftigen Aufteilung geführt hatte, lagen nicht vor.
Linkhinweis:
- Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de-Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
- Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.