26.02.2018

Bestimmbarkeit des Inhaltsadressaten

Steuer- und Feststellungsbescheide, die die Adressaten lediglich in einem Bescheidkopf mit der jeweiligen Steuernummer benennen und weder eine (vollständige oder abgekürzte) Firmenbezeichnung noch eine Anschrift tragen ("leeres Adressfeld"), erfüllen nicht die Voraussetzungen an die hinreichende Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit ihres Inhaltsadressaten.

BFH 23.8.2017, I R 52/15
Der Sachverhalt:
Klägerinnen sind insgesamt sieben Aktiengesellschaften, die von ihrer jeweiligen Alleinaktionärin, der A-AG, durch Notarverträge aus August 2000 als sog. Vorratsgesellschaften (Grundkapital: 50.000 €) mit dem Zweck einer späteren (Anteils-)Veräußerung an Dritte (ohne vorherige Aufnahme eines unternehmerischen Geschäftsbetriebs) gegründet worden waren. In den Gründungsurkunden heißt es, dass "der eingezahlte Betrag" 50.000 € betrage. Der Aufsichtsrat jeder Klägerin bestellte jeweils B. zum einzigen Vorstandsmitglied.

Streitig waren letztlich Einkommenserhöhungen (entgangener Zins) in den Streitjahren 2000 bis 2007 und die Rechtmäßigkeit der Bekanntgabe von Steuer- bzw. Feststellungsbescheiden. Das Finanzamt hatte zuvor Körperschaftsteuer-Eingabedatenbögen mit den Firmenbezeichnungen der Klägerinnen und den behördenintern zugeteilten Steuernummern erstellt. Entsprechend druckte es für jede Klägerin Körperschaftsteuer-Bescheide für 2000 bis 2007 aus. Nach dem Erläuterungstext der Bescheide beruhten die Festsetzungen auf Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO. Dabei ging die Behörde von einer einkommenserhöhenden verdeckten Gewinnausschüttung aus.

Das Finanzamt erstellte ebenfalls Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG und Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie eine Feststellung des Körperschaftsteuerguthabens. Die Adressfelder der Bescheide blieben leer. Die Bescheide enthielten auch sonst keine (vollständige oder abgekürzte) Firmenbezeichnung der Klägerinnen. In den Bescheiden waren lediglich die behördenintern zugeteilten Steuernummern angegeben.

Die Bescheide wurden zunächst weder an die Klägerinnen noch an die A-AG noch an sonstige Personen übersandt. Stattdessen veranlasste das Finanzamt für jede Klägerin die öffentliche Zustellung der Bescheide "gem. § 10 Abs. 1 VwZG". Die entsprechenden Benachrichtigungen wurden zwei Wochen ausgehängt. In den ausgehängten Benachrichtigungen wurde für sämtliche Klägerinnen nicht der volle Firmenname, sondern eine Abkürzung angegeben. Auf dem Aushang war ferner nach dem Wort "Geschäftszeichen" die Steuernummer angegeben, als zuletzt bekannte Anschrift "0000 Unbekannt".

Mit den der A-AG zugestellten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, in denen die Steuernummer der jeweiligen Klägerin angegeben war, pfändete das Finanzamt Ansprüche der Klägerinnen gegen die A-AG auf Leistung der Einlage bzw. auf Erstattung des zurückgezahlten Grundkapitals und ordnete die Einziehung der gepfändeten Ansprüche an. Die Einziehungsklage vor dem LG blieb erfolglos. Die Klage vor dem FG blieb weitestgehend erfolglos. Auf die Revision der Klägerinnen hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Die Voraussetzungen für rechtswirksame Festsetzungen bzw. Feststellungen sind - entgegen der Ansicht des FG - nicht erfüllt. Bescheide, die die Adressaten lediglich in einem Bescheidkopf mit der jeweiligen Steuernummer benennen und weder eine (vollständige oder abgekürzte) Firmenbezeichnung noch eine Anschrift tragen ("leeres Adressfeld"), sind bezüglich ihres Inhaltsadressaten nicht hinreichend bestimmt.

Ob die Übersendung der Kopien sämtlicher Steuer- und Feststellungsbescheide die Voraussetzungen einer Bekanntgabe als zurechenbaren behördlichen Akt erfüllt, hat das FG nicht geprüft. Es hat ohne weitere Erörterung offensichtlich angenommen, dass die Übermittlung der Kopien die Voraussetzungen einer wirksamen Bekanntgabe auch dann erfüllen kann, wenn der Beamte der Behörde bei der Übermittlung der Kopie in der Annahme, die Urschrift sei bereits bekanntgegeben (hier: durch öffentliche Zustellung), nicht die Vorstellung hatte, dadurch eine Bekanntgabe zu bewirken.

Dagegen spricht allerdings, dass die Kopien lediglich zum Zwecke der Unterrichtung übersandt wurden, da das Finanzamt mehrmals auf die öffentliche Zustellung und eine wirksame Bekanntgabe hingewiesen hat. Wenn aber der Bekanntgabevorgang nach Überzeugung des Finanzamtes bereits im Mai 2009 abgeschlossen war, kommt es jedenfalls nicht in Betracht, einen insoweit nachträglichen und darüber hinaus außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens liegenden Vorgang (hier: die Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an die A-AG als Schuldnerin/Dritte i.V.m. der Zuordnung der jeweiligen Steuernummer) zur Auslegung der Verwaltungsakte heranzuziehen.

Auch kann der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt im Hinblick auf die Bestimmbarkeit des Inhaltsadressaten nicht einer (ausdrücklichen) Verweisung im Verwaltungsakt auf andere - dem Empfänger der Verwaltungsakte im Zeitpunkt der Bekanntgabe bereits bekannte - Sachumstände oder dem Umstand einer beigefügten Anlage zum Verwaltungsakt (z.B. einem Außenprüfungsbericht) gleichgestellt werden.

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