Bestimmung des Inhaltsadressaten einer Prüfungsanordnung; Festsetzungsverjährung und Treu und Glauben
Kurzbesprechung
BFH v. 11.11.2020 - XI R 11/18
AO § 47, § 119 Abs. 1, § 169 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 4
BGB § 133, § 242
Im Streitfall ging es um den Ablauf der Festsetzungsfrist sowie um die Frage, ob es der Grundsatz von Treu und Glauben ermöglicht, auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist einen erloschenen Steueranspruch zu Lasten des Steuerpflichtigen wieder aufleben zu lassen.
Der BFH entschied, dass im Streitfall der Ablauf der jeweiligen Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO dadurch gehemmt worden war, dass vor Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Zwar hatte das FA für die Streitjahre Prüfungsanordnungen erlassen, doch waren diese gegenüber der Steuerpflichtigen nicht wirksam geworden, weil das FA sie nicht gegenüber der Inhaltsadressatin bekannt gegeben hatte. Eine Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen. Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners --bzw. der Person, die die Außenprüfung zu dulden hat, können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen hat. Denn die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides kann nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängig sein.
Im Streitfall waren die Steueransprüche durch Eintritt der Verjährungsfrist erloschen, soweit nicht eine verlängerte Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) greift. Der Steuerpflichtigen war es auch nicht verwehrt, sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist zu berufen. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt. Gleichwohl dürfen sich daraus keine Steuerrechtsfolgen ergeben, ohne dass der Sachverhalt vorliegt, an den das Gesetz diese Rechtsfolgen knüpft. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen, er kann allenfalls verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Ist aber --wie im Streitfall-- Festsetzungsverjährung eingetreten, darf die Geltung von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Anspruch des FA aus dem Steuerschuldverhältnis wieder auflebt, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung vorwerfbar ist oder nicht.
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück, da das FG nicht geprüft hatte, ob im Streitfall die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO gilt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 47, § 119 Abs. 1, § 169 Abs. 1 S. 1, § 171 Abs. 4
BGB § 133, § 242
Im Streitfall ging es um den Ablauf der Festsetzungsfrist sowie um die Frage, ob es der Grundsatz von Treu und Glauben ermöglicht, auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist einen erloschenen Steueranspruch zu Lasten des Steuerpflichtigen wieder aufleben zu lassen.
Der BFH entschied, dass im Streitfall der Ablauf der jeweiligen Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO dadurch gehemmt worden war, dass vor Fristablauf mit einer Außenprüfung begonnen wurde. Zwar hatte das FA für die Streitjahre Prüfungsanordnungen erlassen, doch waren diese gegenüber der Steuerpflichtigen nicht wirksam geworden, weil das FA sie nicht gegenüber der Inhaltsadressatin bekannt gegeben hatte. Eine Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht hemmen. Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners --bzw. der Person, die die Außenprüfung zu dulden hat, können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen hat. Denn die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides kann nicht vom Verhalten der Beteiligten abhängig sein.
Im Streitfall waren die Steueransprüche durch Eintritt der Verjährungsfrist erloschen, soweit nicht eine verlängerte Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) greift. Der Steuerpflichtigen war es auch nicht verwehrt, sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist zu berufen. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt. Gleichwohl dürfen sich daraus keine Steuerrechtsfolgen ergeben, ohne dass der Sachverhalt vorliegt, an den das Gesetz diese Rechtsfolgen knüpft. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum Erlöschen, er kann allenfalls verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Ist aber --wie im Streitfall-- Festsetzungsverjährung eingetreten, darf die Geltung von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass zu Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Anspruch des FA aus dem Steuerschuldverhältnis wieder auflebt, unabhängig davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung vorwerfbar ist oder nicht.
Der BFH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurück, da das FG nicht geprüft hatte, ob im Streitfall die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO gilt.