Betriebsausgabenabzug für Zahlungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaften trotz fehlender Empfängerbenennung möglich
Niedersächsisches FG 13.1.2016, 9 K 95/13Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E-GmbH &. Co KG Entwicklungs- und Bauträgergesellschaft (E-KG). Diese hatte im Streitjahr 2002 umfangreiche Bauleistungen britischer Subunternehmer im Zusammenhang mit der Realisierung diverser Großprojekte in Anspruch genommen. Nach den Feststellungen der Informationszentrale Ausland des Bundesamtes für Steuern handelte es sich bei den britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Domizilgesellschaften. Die E-KG nahm von den Gegenleistungen den Steuerabzug von 15 % für Rechnung der Subunternehmer vor, meldete diese Bauabzugssteuer beim zuständigen Finanzamt an und führte die Steuer ab.
Da die E-KG die tatsächlichen Zahlungsempfänger nicht benennen konnte, kürzte das Finanzamt jedoch auf Grundlage des § 160 AO die Betriebsausgaben um 70 % der Gesamtgegenleistung. Die Behörde war der Ansicht, dass § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG, der nach seinem Wortlaut die Anwendung des § 160 AO ausschließt, auf inaktive ausländische Domizilgesellschaften nicht anzuwenden sei. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Das FG hatte zu Unrecht die streitbefangenen Zahlungen an die britischen Subunternehmer nicht als Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigt. Denn eine Versagung des Betriebsausgabenabzugs in dieser Höhe auf der Grundlage des § 160 AO war nicht zulässig. Schließlich war die Vorschrift aufgrund der gesetzlichen Ausschlussregelung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG nicht anwendbar.
Der Ausschlusstatbestand des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt nämlich auch dann, wenn Bauleistender eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist. Eine einschränkende Auslegung gegen den klaren Wortlaut - zumal zum Nachteil des Steuerpflichtigen - kommt nicht in Betracht, da die teilweise in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten Bedenken sich weder in den Gesetzesmaterialien widerspiegeln, noch Eingang in den Gesetztext gefunden haben. Insbesondere fehlt ein gesetzlich verankerter Aktivitätsvorbehalt.
Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist weder eine andere (verfassungskonforme) Auslegung geboten noch bestehen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG im Hinblick auf einen verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss Dritter, die nicht Bauleistungen empfangen. Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive Domizilgesellschaften ist danach nur dann unter dem Gesichtspunkt des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger gem. § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG "instrumentalisiert" und sich den Abzug entgegen § 160 AO im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft in rechtsmissbräuchlicher Weise erschlichen hat. Anhaltspunkte hierfür waren im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich.
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