Billigkeitserlass nach § 34c Abs. 5 EStG bis zur Festsetzungsverjährung
BFH v. 16.7.2020 - I R 7/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger erzielte als Fluggerätemechaniker Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Sein Arbeitgeber setzte ihn im Streitjahr auf einem Flughafen in Nigeria ein. Während der Arbeitgeber für die Veranlagungszeiträume vor dem Streitjahr die Regelungen des Auslandstätigkeitserlasses bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugs berücksichtigte, unterwarf er den im Streitjahr erzielten Arbeitslohn der Lohnsteuer in Deutschland.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger den von ihm bezogenen Arbeitslohn als in Deutschland steuerpflichtig. In der Anlage N beantragte er Kosten für Familienheimfahrten zwischen dem Flughafen und der Familienwohnung in Deutschland als Werbungskosten, welche vom Finanzamt antragsgemäß berücksichtigt wurden. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig.
In 2015 beantragte der Kläger, den Bescheid nach 3 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu seinen Gunsten unter Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses zu ändern. Nach Ablehnung dieses Antrags durch das Finanzamt beantragte er die Anwendung des Erlasses nach § 34c Abs. 5 EStG im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung gem. § 163 AO. Auch diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Soweit die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer nach dem Auslandstätigkeitserlass ganz oder zum Teil erlassen werden soll, ist darüber verfahrensrechtlich nicht im Steuerfestsetzungsverfahren oder im Rahmen der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, sondern durch einen eigenständigen Bescheid zu entscheiden, der eine Bindungswirkung auslöst, die ggf. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen ist.
Bei § 34c Abs. 5 EStG handelt es sich um eine gegenüber den allgemeinen Erlassregelungen in §§ 163 und 227 AO speziellere Regelung, die allerdings ggf. unter Rückgriff auf die genannten allgemeinen Regelungen auszufüllen ist. Daraus, dass der Auslandstätigkeitserlass eine entsprechende zeitliche Regelung nicht enthält, lässt sich nur schließen, dass der Erlassgeber eine zeitliche Beschränkung der Antragstellung dort gerade nicht hat vornehmen wollen.
Zwar kann im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme der Zeitablauf auch als solcher berücksichtigt werden und er bildet insoweit einen selbständigen Grund für den Rechtsverlust, der neben die Verwirkung tritt und von dieser zu trennen ist. Indessen tritt ein solcher Rechtsverlust aber nicht bereits vor dem Ablauf der Festsetzungsverjährung ein. Hierfür spricht, dass das Festsetzungsverfahren einerseits und das Billigkeitsverfahren andererseits zwei getrennte Verfahren sind und ein nach Eintritt der Bestandskraft ergangener Billigkeitserweis nach § 34c Abs. 5 EStG im Rahmen der Festsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nachträglich zu berücksichtigen ist.
Im Streitfall hat das FG zutreffend einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des begehrten Billigkeitserlasses bejaht. Denn zum einen lagen im Streitfall die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffern I bis IV des Auslandstätigkeitserlasses unstreitig vor. Zum anderen war auch unter zeitlichen Gesichtspunkten die Antragstellung nicht zu beanstanden, da bei Antragstellung noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.
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Der Kläger erzielte als Fluggerätemechaniker Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Sein Arbeitgeber setzte ihn im Streitjahr auf einem Flughafen in Nigeria ein. Während der Arbeitgeber für die Veranlagungszeiträume vor dem Streitjahr die Regelungen des Auslandstätigkeitserlasses bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugs berücksichtigte, unterwarf er den im Streitjahr erzielten Arbeitslohn der Lohnsteuer in Deutschland.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte der Kläger den von ihm bezogenen Arbeitslohn als in Deutschland steuerpflichtig. In der Anlage N beantragte er Kosten für Familienheimfahrten zwischen dem Flughafen und der Familienwohnung in Deutschland als Werbungskosten, welche vom Finanzamt antragsgemäß berücksichtigt wurden. Der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig.
In 2015 beantragte der Kläger, den Bescheid nach 3 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu seinen Gunsten unter Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses zu ändern. Nach Ablehnung dieses Antrags durch das Finanzamt beantragte er die Anwendung des Erlasses nach § 34c Abs. 5 EStG im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung gem. § 163 AO. Auch diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Soweit die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer nach dem Auslandstätigkeitserlass ganz oder zum Teil erlassen werden soll, ist darüber verfahrensrechtlich nicht im Steuerfestsetzungsverfahren oder im Rahmen der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, sondern durch einen eigenständigen Bescheid zu entscheiden, der eine Bindungswirkung auslöst, die ggf. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO umzusetzen ist.
Bei § 34c Abs. 5 EStG handelt es sich um eine gegenüber den allgemeinen Erlassregelungen in §§ 163 und 227 AO speziellere Regelung, die allerdings ggf. unter Rückgriff auf die genannten allgemeinen Regelungen auszufüllen ist. Daraus, dass der Auslandstätigkeitserlass eine entsprechende zeitliche Regelung nicht enthält, lässt sich nur schließen, dass der Erlassgeber eine zeitliche Beschränkung der Antragstellung dort gerade nicht hat vornehmen wollen.
Zwar kann im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme der Zeitablauf auch als solcher berücksichtigt werden und er bildet insoweit einen selbständigen Grund für den Rechtsverlust, der neben die Verwirkung tritt und von dieser zu trennen ist. Indessen tritt ein solcher Rechtsverlust aber nicht bereits vor dem Ablauf der Festsetzungsverjährung ein. Hierfür spricht, dass das Festsetzungsverfahren einerseits und das Billigkeitsverfahren andererseits zwei getrennte Verfahren sind und ein nach Eintritt der Bestandskraft ergangener Billigkeitserweis nach § 34c Abs. 5 EStG im Rahmen der Festsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nachträglich zu berücksichtigen ist.
Im Streitfall hat das FG zutreffend einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des begehrten Billigkeitserlasses bejaht. Denn zum einen lagen im Streitfall die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffern I bis IV des Auslandstätigkeitserlasses unstreitig vor. Zum anderen war auch unter zeitlichen Gesichtspunkten die Antragstellung nicht zu beanstanden, da bei Antragstellung noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.