Darf das Finanzamt gegen abgetretene Ansprüche aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss mit ausgesetzten Steuerforderungen aufrechnen?
FG Münster 13.5.2016, 7 S 814/14 AODer Kläger hatte am 14.3.2012 einen Duldungsbescheid gegenüber Frau B. erlassen. Darin forderte er 355.932 €. Im anschließenden gerichtlichen Aussetzungsverfahren wurde Frau B. von den Beklagten vertreten. Dem Aussetzungsantrag gab das FG Münster am 9.10.2012 (6 V 1750/12 AO) in vollem Umfang statt, weil der Duldungsbescheid nicht hinreichend bestimmt sei. Die Kosten des Verfahrens legte das Gericht dem Kläger auf. Am 16.10.2012 zeigten die Beklagten gegenüber dem Kläger an, dass Frau B. ihren Kostenerstattungsanspruch aus dem Verfahren 6 V 1750/12 AO an die Beklagten abgetreten habe.
Der Kläger erließ am 24.10.2012 eine Einspruchsentscheidung im Einspruchsverfahren gegen den Duldungsbescheid vom 14.3.2012, mit der er den Duldungsanspruch auf 295.054 € festsetzte und mitteilte, dass die Aussetzung der Vollziehung am 27.11.2012 ende. Am 16.11.2012 erließ das FG Münster einen Kostenfestsetzungsbeschluss in dem Verfahren 6 V 1750/12 AO, mit dem es die vom Kläger an die Mandantin der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.329 € festsetzte. Der Kläger erklärte gegenüber den Beklagten die Aufrechnung gegen die durch Abtretung erworbenen Zahlungsansprüche aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss mit den fälligen und durchsetzbaren Forderungen aus dem Duldungsbescheid.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des FG Münster schrieb den Kostenfestsetzungsbeschluss auf Antrag der Beklagten am 20.1.2014 auf diese um. Gegen den Duldungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist beim FG Münster ein Klageverfahren anhängig (Az. 6 K 3757/12 AO). Der Senat setzte den Duldungsbescheid mit Beschluss vom 7.2.2013 (Az. 6 V 3955/12 AO) i.H. eines Teilbetrages von 100.224 € bzw. 149.700 € gegen Sicherheitsleistung von der Vollziehung aus. Im Beschluss ließ der Senat die Frage, ob der ursprüngliche Duldungsbescheid vom 14.3.2012 wegen Unbestimmtheit als nichtig oder lediglich als rechtswidrig anzusehen war, ausdrücklich offen, weil jedenfalls die Einspruchsentscheidung vom 24.10.2012 den Bestimmtheitsanforderungen genüge.
Nachdem der Kläger der Aufforderung der Beklagten, die Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu begleichen, nicht nachgekommen war, stellten die Beklagten am 27.2.2014 einen gerichtlichen Antrag, die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu verfügen. Dieses Verfahren ist beim erkennenden Senat unter dem Az. 7 S 620/14 AO anhängig. Der Kläger hat am 18.3.2014 Vollstreckungsgegenklage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass die von den Beklagten begehrte Forderung aus dem umgeschriebenen Kostenfestsetzungsbeschluss durch Aufrechnung erloschen sei.
Das FG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der von den Beklagten geltend gemachte Anspruch aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss war nicht durch Aufrechnung erloschen. Die gegenüber den Beklagten erklärte Aufrechnung des Klägers war unwirksam.
Nach § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen und gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Aufrechnung entsprechend, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach §§ 387 ff. BGB ist Voraussetzung für eine Aufrechnung, dass zwei Personen einander Leistungen schulden, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind. Dabei muss die Gegenforderung fällig und die Hauptforderung erfüllbar sein. Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung (10.12.2012) hatte der Kläger eine fällige Gegenforderung. Dabei kann offen bleiben, ob diese bereits durch den ursprünglichen Duldungsbescheid vom 14.3.2012 begründet worden war oder ob - für den Fall der Nichtigkeit des Duldungsbescheids - erstmals mit der Einspruchsentscheidung vom 24.10.2012 eine Fälligkeit zum 27.11.2012 begründet wurde.
Jedenfalls fehlte es zum Zeitpunkt der Aufrechnung an einer Gegenseitigkeit der Forderungen, weil die Schuldnerin der Gegenforderung des Klägers (Frau B.) nicht mit den Gläubigern der Hauptforderung (die Beklagten) identisch war. Auf die Schuldnerschutzvorschrift des § 406 BGB konnte sich der Kläger nicht berufen. Danach kann der Schuldner eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Der allgemeine Rechtsgedanke dieser Vorschrift und der in ihr zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die Abtretung einer Forderung nicht die rechtliche Stellung des Schuldners beeinträchtigen darf, gilt auch im öffentlichen Recht und damit auch für die Aufrechnung nach § 226 Abs. 1 AO.
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