Der Große Senat zum Beginn der Rechtsmittelfrist bei fehlerhafter Ausführung eines Zustellungsauftrages
BFH 6.5.2014, GrS 2/13Ein Postzusteller warf einen Brief mit einem Finanzgerichtsurteil an den damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger am Vormittag des 24.12.2008 (Mittwoch) in den Briefkasten der Rechtsanwaltskanzlei. Den Datumsvermerk auf dem Briefumschlag hatte er allerdings vergessen. Bei Öffnung der Rechtsanwaltskanzlei nach den Feiertagen am Montag, den 29.12.2008, wurde der undatierte Brief vorgefunden.
Der Anwalt der Kläger ging von einer Zustellung an jenem Montag aus und legte ein Rechtsmittel erst am 27.1.2009 beim BFH ein. Das hielt der zuständige VIII. Senat für verspätet, da die Monatsfrist schon am 24.12.2008 begonnen habe. Am Heiligabend sei ebenso wie an Silvester davon auszugehen, dass eine bis mittags eingeworfene Postsendung zur Kenntnis genommen werden könne. Dies reiche für einen tatsächlichen Zugang aus.
Andere Senate des BFH hatten den Brief in vergleichbaren Fällen erst dann für "tatsächlich zugegangen" gehalten, wenn ihn der Empfänger nachweislich in den Händen hatte. Infolgedessen legte der VIII. Senat dem Großen Senat die Rechtsfrage zur Entscheidung vor. Der Große Senat des BFH teilte nicht die strenge Sichtweise des vorlegenden Senats.
Die Gründe:
Die Rechtsmittelfrist ist gewahrt. Der zuständige VIII. Senat muss nun in der Sache über das Rechtsmittel entscheiden.
Der Tag der Zustellung eines Urteils ist maßgebend dafür, wann die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels beginnt. Deshalb muss der Tag sowohl von dem Zustellenden als auch vom Zustellungsempfänger genau bestimmt werden können. Wird ein Schriftstück dadurch zugestellt, dass einem Postunternehmen ein Zustellungsauftrag erteilt wird, kann der Zusteller den Brief in den Briefkasten werfen, falls er den Empfänger nicht antrifft. Dies und den Tag der Zustellung vermerkt er in einem Vordruck, den der Zustellende zurück erhält. Der Zustellungsempfänger erfährt vom Datum des Briefeinwurfs durch einen Datumsvermerk auf dem Briefumschlag. Wird eine dieser Förmlichkeiten vergessen, gilt das Schriftstück in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfänger "tatsächlich zugegangen ist" (§ 53 Abs. 2 der FGO i.V.m. § 189 ZPO).
Wenn der Gesetzgeber die für eine Zustellung im Grundsatz notwendige Übergabe des Schriftstücks durch den Einwurf in den Briefkasten ersetzt, müssen alle Förmlichkeiten dieses Verfahrens beachtet werden, damit die Rechtsmittelfrist zuverlässig berechnet werden kann. Wird hingegen ein Datumsvermerk vergessen, kommt es für den Fristbeginn darauf an, wann der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hand bekommen hat.
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