23.02.2016

Der Staatskasse steht gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an eine Partei kraft Amtes kein Beschwerderecht zu

Hat das Beschwerdegericht eine für den Beschwerdeführer unanfechtbare Entscheidung auf die sofortige Beschwerde hin geändert und die Rechtsbeschwerde zugelassen, ist diese statthaft, wenn für den Rechtsbeschwerdeführer gegen eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung die sofortige Beschwerde statthaft gewesen wäre. Der Insolvenzverwalter zählt nicht zu den am Gegenstand eines für die Masse geführten Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten, wenn durch den Rechtsstreit ein Vermögensgegenstand zur Masse zurückgeführt werden soll, für dessen Verlust der Verwalter schadensersatzpflichtig ist.

BGH 21.1.2016, IX ZB 24/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger wurde am 1.10.2012 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der D-GmbH bestellt. Er beauftragte den Beklagten mit der Räumung der Geschäftsräume der Schuldnerin, wofür dieser vereinbarungsgemäß eine Vergütung von 476 € in Rechnung stellte. Der Kläger zahlte hierauf am 29.7.2013 und versehentlich erneut am 13.8.2013 jeweils 476 € an den Beklagten.

Das AG gewährte dem Kläger antragsgemäß Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Beklagten auf Rückzahlung von 476 € wegen ungerechtfertigter Bereicherung. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG änderte dieses die amtsgerichtliche Entscheidung ab und ordnete an, dass der Kläger auf die voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits einmalig 263 € zu zahlen habe. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwarf die Beschwerde gegen den Beschluss des AG.

Auf ihre Rechtsbeschwerde hin, hob der BGH den Beschluss des OLG auf und ordnete mit Wirkung ab Antragstellung die Beiordnung einer Rechtsanwältin an.

Die Gründe:
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung ist eine Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn bereits die sofortige Beschwerde statthaft war. War die Ausgangsentscheidung unanfechtbar, fehlt es auch an einer Grundlage für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Die Rechtsbeschwerde ist hingegen eröffnet, wenn das Beschwerdegericht auf eine von einem anderen Verfahrensbeteiligten erhobene sofortige Beschwerde eine nicht anfechtbare Entscheidung des Ausgangsgerichts gleichwohl abändert und der dadurch erstmals beschwerte Rechtsbeschwerdeführer gegen eine entsprechende erstinstanzliche Entscheidung sofortige Beschwerde hätte einlegen können. Diese Möglichkeit wäre hier gegeben gewesen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, verbunden mit der Anordnung einer Einmalzahlung in Höhe der voraussichtlichen Prozesskosten, hätte der Kläger nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angreifen können.

Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des LG kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die sofortige Beschwerde der Staatskasse nicht statthaft und deshalb unzulässig war. Beschwerdebefugt ist die Staatskasse in Prozesskostenhilfeverfahren natürlicher Personen, nicht aber in entsprechenden Verfahren einer Partei kraft Amtes. Auch in der Sache hält die Beurteilung des LG der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Masse gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 Abs. 1 S. 1 InsO macht diesen nicht zu einem am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten, dem die Aufbringung der Kosten nach § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzumuten wäre.

Die Regelung in § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO soll sicherstellen, dass Prozesskostenhilfe nur gewährt wird, wenn die Kosten nicht von den Vermögensträgern aufgebracht werden können, denen ein Erfolg des beabsichtigten Rechtsstreits zugutekommt. Der Insolvenzverwalter ist regelmäßig kein wirtschaftlich Beteiligter in diesem Sinne, dem es zuzumuten wäre, die Kosten eines im Interesse der Masse geführten Rechtsstreits selbst aufzubringen. Dies gilt selbst dann, wenn der aus dem Rechtsstreit erwartete Erlös voraussichtlich erst die Möglichkeit schafft, den Vergütungsanspruch des Verwalters zu befriedigen. Ansprüche der Masse geltend zu machen, gehört zu den ihm übertragenen Aufgaben. Es würde seinen Gebührenanspruch im Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG unzulässig einschränken, wenn er solche Prozesse auf eigene Kosten führen müsste.

Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn eine Haftung des Insolvenzverwalters für die Folgen einer Vermögensverschiebung in Betracht kommt, die durch den beabsichtigten Rechtsstreit rückgängig gemacht werden soll. Auch dann gehört die Verfolgung des Anspruchs zu den dem Verwalter übertragenen Aufgaben. Die Regelung in § 255 BGB gibt dem Verwalter nur das Recht, eine Schadensersatzleistung bis zur Abtretung eines Erstattungsanspruchs der Masse zurückzubehalten; zu einem gesetzlichen Forderungsübergang kommt es nicht. Solange eine Abtretung nicht erfolgt ist, führt der Verwalter den Rechtsstreit deshalb in Erfüllung der ihm kraft seines Amtes obliegenden Pflichten im Interesse der Insolvenzmasse. Dieser fließt ein erstrittener Betrag zu. Nur mittelbar wird dadurch auch der Schaden beseitigt, für den der Verwalter haften soll. Dies genügt jedoch nicht, um ihn als wirtschaftlich Beteiligten i.S.v. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO anzusehen, dem die Aufbringung der Prozesskosten zumutbar wäre.

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