06.05.2011

Die Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte durch das Finanzamt ist nicht verfassungswidrig

Die sog. Wertgebühr, die für die Bearbeitung von Anträgen auf verbindliche Auskünfte erhoben wird, ist dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß. Dies gilt auch dann, wenn sie im Einzelfall besonders hoch ausfällt (hier: rd. 91.500 €) und soweit ihre Höhe sich nach der vom Finanzamt für die Bearbeitung des Antrags aufgewendeten Zeit richtet.

BFH 30.3.2011, I R 61/10 u.a.
Der Sachverhalt:
Streitpunkt in beiden Verfahren ist die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gem. § 89 Abs. 3 bis 5 AOI i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006.

+++ I R 61/10 +++
Die Klägerin, eine GmbH, beantragte im Juli 2007 beim Finanzamt im Zusammenhang mit einer geplanten Umstrukturierung des Unternehmens die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu den Fragen, ob eine nicht verhältniswahrende Abspaltung die Anwendbarkeit von § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 UmwStG 2006 beeinträchtige und ob es sich bei den in ihrem Betriebsvermögen befindlichen Beteiligungen an ausländischen Vertriebsgesellschaften um wesentliche Betriebsgrundlagen handele. Den Gegenstandswert der Auskunft gab die Klägerin mit rd. 1,27 Mio. € an. Das Finanzamt erteilte die begehrte Auskunft im Sinne der Klägerin und erließ einen Gebührenbescheid gem. § 89 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 S. 1, Abs. 5 AO (sog. Wertgebühr) über 5.356 €.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

+++ I B 136/10 +++
Der Antragsteller ist Inhaber einer Firmengruppe (X), die im Jahr 1999 aus einer Realteilung hervorgegangen war und deshalb über eine unübersichtliche Beteiligungsstruktur verfügte. Um insbes. den Anforderungen finanzierender Banken nach einer einfachen und durchschaubaren Beteiligungsstruktur zu entsprechen, plante die Gruppe eine Neustrukturierung. In diesem Zusammenhang beantragten der Antragsteller beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO. Dieses erteilte die erbetene verbindliche Auskunft und setzte auf der Basis eines Gegenstandswerts von rd. 30 Mio. € eine Gebühr von rd. 91.500 € fest.

Das FG wies die Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Bestimmungen des § 89 Abs. 3 bis 5 AO über die Erhebung und die Bemessung der Wertgebühr für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung verbindlicher Auskünfte sind nicht verfassungswidrig.

Die Erhebung von Gebühren bedarf im Hinblick auf die Wahrung der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) einer besonderen sachlichen Rechtfertigung; als solche kommen u.a. die Gebührenzwecke der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs in Betracht. Beide Zwecke sind im Falle der Auskunftsgebühr nach § 89 Abs. 3 bis 5 AO gegeben und rechtfertigen diese dem Grunde nach. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich die Verpflichtung zur Auskunftserteilung bereits aus den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden allgemeinen Fürsorge- und Betreuungspflichten des Staates ergebe, nach denen dieser verpflichtet sei, den Bürger im Bereich der Eingriffsverwaltung kostenfrei in Kenntnis seiner Rechte und Pflichten zu setzen.

Diese Sichtweise berücksichtigt nicht hinreichend den vom Antragsteller mit dem Auskunftsverfahren nach § 89 Abs. 2 AO angestrebten Vorteil. Mit der Auskunft erhält der Antragsteller schon vor Verwirklichung der geplanten Sachverhalte nicht nur Kenntnis über deren steuerliche Beurteilung durch die zuständigen Finanzbehörden. Vielmehr bewirkt § 89 Abs. 2 S. 4 AO i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 1 der Durchführungsverordnung zu § 89 Abs. 2 AO (StAuskV) eine Selbstbindung der Verwaltung in dem künftigen Besteuerungsverfahren. Das führt dazu, dass die Finanzbehörde die erteilte Auskunft selbst dann, wenn sich später deren Unrichtigkeit herausstellt, mit Wirkung für die Vergangenheit nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 AO berichtigen, zurücknehmen oder widerrufen darf.

Die Regelungen zur Höhe der Wertgebühr sind ebenfalls nicht als verfassungswidrig zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist die Bemessung einer Gebühr gerechtfertigt, wenn deren Höhe durch die zulässigen, vom Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung erkennbar verfolgten Gebührenzwecke legitimiert ist. Dieser darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können. Gem. § 89 Abs. 4 S. 1 AO werden die Gebühren primär nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert); für die Gebührenhöhe verweist § 89 Abs. 5 AO auf die Bemessung der Wertgebühr nach § 34 GKG.

Die Orientierung der Wertgebühr am Maßstab des § 34 GKG ist vertretbar und steht nicht in einem groben Missverhältnis zu den legitimen Gebührenzwecken der Kostendeckung und der Vorteilsabschöpfung. Zwar dürfte der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines Auskunftsantrags häufig geringer sein als der eines Gerichtsverfahrens. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber aber dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er die Kosten auf eine einzige Gebühr beschränkt hat, während im streitig geführten Finanzgerichtsverfahren vier Gebühren anfallen. Für die im Schrifttum erwogene Anwendung einer Höchstgrenze fehlt es indes an einem zwingenden verfassungsrechtlichen Erfordernis.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte sind auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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BFH PM Nr. 36 vom 4.5.2011
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