20.12.2013

DIN-Normen und Qualitätssicherung bzw. Auditierung können menschliches Versagen nicht gänzlich ausschließen

Für den Nachweis, dass einem Bescheid die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, reicht es nicht aus, dass das von der Behörde eingeschaltete Druckzentrum die entsprechenden DIN-Normen erfüllt und/oder über Einrichtungen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung bzw. eine entsprechende Auditierung verfügt. Schließlich kann sich der Faktor "Mensch" bei den manuellen Entnahmen von Schriftstücken zum Zwecke der Qualitätssicherung auf die Fehleranfälligkeit des Prozesses auswirken.

FG Rheinland-Pfalz 30.10.2013, 4 K 2591/12
Der Sachverhalt:
Die Familienkasse hatte es mit Bescheid vom 11.5.2011 abgelehnt, der Klägerin ab März 2011 weiterhin Kindergeld für ihren Sohn zu gewähren. Im Dezember 2011 stellte die Klägerin erneut einen Kindergeldantrag und legte die entsprechenden Unterlagen und Nachweise vor. Daraufhin bewilligte die Beklagte für die Zeit ab 1. Juni 2011 Kindergeld. Lehnte es aber für die Zeit davor ab. Die Familienkasse verwies darauf, dass die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid aus Mai 2011 keinen Einspruch eingelegt habe, so dass dieser bestandskräftig geworden sei. Dagegen legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.

Im Klageverfahren machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, der Ablehnungsbescheid aus Mai 2011 habe nur aus einem zweiseitig bedruckten Blatt bestanden und habe keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Die Einspruchsfrist habe daher nicht einen Monat, sondern ein Jahr betragen, so dass die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt habe. Die Familienkasse berief sich hingegen auf die Regelungen über die "Prozessabläufe für AMS Sammelbriefe" und dass danach ein Fehlerreport erfolgt wäre, wenn eine Seite - wie von der Klägerin behauptet - nicht ausgedruckt worden wäre. Ein solcher Fehlerreport liege allerdings nicht vor.

Das Druckzentrum (DRZ) arbeite nach DIN-Normen und der Verlust eines einzelnen Blattes könne praktisch ausgeschlossen werden. Bei Stichprobenentnahmen zur Qualitätssicherung erfolge automatisch der vollständige Nachdruck des gesamten Dokuments. Auch der Verlust eines einzelnen Blattes innerhalb der Kuvertiermaschine sei aus den vorgenannten Umständen ausgeschlossen. Der Druck- und Kuvertierprozess werde jährlich durch externe Wirtschaftsprüfer in operativer und datenschutzrechtlicher Relevanz auditiert. Ein im DRZ produziertes Dokument könne damit, wenn es den Empfänger auf dem Postweg erreicht habe, nach menschlichem Ermessen nur vollständig zugegangen sein.

Das FG gab der Klage statt. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Familienkasse konnte nicht nachweisen, dass der fragliche Bescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen gewesen war.

Auch mit Rücksicht auf die von der Familienkasse vorgelegten Unterlagen des Druckzentrums über die Programmabläufe, Einrichtungen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung usw. konnte das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Versendung eines unvollständigen Schriftstücks mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Schließlich ist menschliches wie technisches Versagen trotz Einhaltung von DIN-Normen, Einrichtungen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung bzw. Auditierung denkbar, insbesondere deshalb, weil sich der Faktor "Mensch" bei den manuellen Entnahmen von Schriftstücken zum Zwecke der Qualitätssicherung auf die Fehleranfälligkeit des Prozesses auswirken kann.

FG Rheinland-Pfalz PM vom 19.12.2013
Zurück