04.12.2017

Doppelte Belastung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen

Im Rahmen der Beurteilung der Frage, in welchem Umfang ein Steuerpflichtiger seine Altersvorsorgeaufwendungen nach der bis 2004 geltenden Rechtslage aus versteuertem Einkommen geleistet hat, gelten Beiträge zu privaten Rentenversicherungen und kapitalbildenden Lebensversicherungen im Verhältnis zu den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung als lediglich nachrangig abziehbar.

BFH 23.8.2017, X R 33/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger war von 1969 bis 1976 zunächst als Arbeitnehmer beschäftigt und während dieser Zeit in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Seit 1978 ist er als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer freiberuflich tätig, blieb aber freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Bund lagen die vom Kläger geleisteten Beiträge in keinem Jahr oberhalb des jeweiligen Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus zahlte der Steuerpflichtige für seine Altersversorgung in erheblichem Umfang in kapitalbildende Lebensversicherungen ein.

Seit Juli 2011 bezieht der Kläger eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die das Finanzamt mit dem gesetzlichen Besteuerungsanteil von 62 % ansetzte. Der Kläger machte demgegenüber zunächst die Anwendung der Öffnungsklausel geltend. Darüber hinaus ist nach seiner Ansicht eine Besteuerung der gesetzlichen Rente mit dem Ertragsanteil auch deshalb geboten, weil die Auszahlungen aus Lebensversicherungen nur dem Ertragsanteil unterlägen, obwohl die entsprechenden Beitragsleistungen nach den bis einschließlich 2004 geltenden Fassungen des § 10 EStG ebenso behandelt worden seien wie die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage teilweise statt.

Die Gründe:
Zwar ist die Entscheidung des FG in Bezug auf die Besteuerung der vom Kläger aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogenen Rente zutreffend. Das FG konnte jedoch noch nicht die neue höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ermittlung der Höhe der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG berücksichtigen, die hier zu einer Verringerung der zumutbaren Belastung - und damit zu einer Erhöhung des als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Betrages - führt.

Der Ansatz des Besteuerungsanteils von 62 % nach § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist nicht zu beanstanden, da vorliegend weder die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG anwendbar ist noch die einkommensteuerrechtliche Erfassung der Rente unter dem Gesichtspunkt einer Ungleichbehandlung zu Auszahlungen aus Lebensversicherungsverträgen oder einer doppelten Besteuerung verfassungswidrig ist. Letztlich verstößt sie nicht gegen die Präambel des AEUV.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wird nicht dadurch verletzt, dass die Rente des Steuerpflichtigen dem Besteuerungsanteil von 62 % unterliegt, während Auszahlungen aus Lebensversicherungsverträgen lediglich mit dem niedrigeren Ertragsanteil besteuert werden. Dies gilt vor allem für die vom FG zutreffend vertretene Rechtsauffassung, Beiträge zu kapitalbildenden Lebensversicherungen seien bei Beurteilung der Frage, in welchem Umfang sich die Beiträge zur Basis-Altersversorgung im zeitlichen Anwendungsbereich der bis 2004 für den Abzug von Vorsorgeaufwendungen geltenden Rechtslage tatsächlich als Sonderausgaben ausgewirkt haben, nicht gleichrangig, sondern nur nachrangig zu den Beiträgen zur gesetzlichen Sozialversicherung abzuziehen.

Denn eine gleichrangige Betrachtung dieser Kapitalanlage mit den Aufwendungen für die Basis-Altersversorgung würde dazu führen, dass für Letztere ein geringeres Sonderausgaben-Abzugsvolumen übrig bliebe, also ein höherer Anteil aus versteuertem Einkommen geleistet wäre. Damit wäre die Schwelle der verfassungsrechtlich unzulässigen doppelten Besteuerung früher überschritten. Dies würde jedoch ausgerechnet jene Steuerpflichtigen begünstigen, die weiterhin in erheblichem Maße von der - wenngleich verfassungsrechtlich noch hinzunehmenden - fortbestehenden einkommensteuerrechtlichen Begünstigung der Auszahlungen aus derartigen Rentenversicherungsverträgen profitieren.

Daher ist zur Vermeidung einer auf diese Vorsorgeform beschränkten, nicht gerechtfertigten doppelten Begünstigung - nämlich einerseits durch Steuerfreistellung der früheren Beiträge und andererseits durch weitgehende Steuerfreistellung der Auszahlungen - im Rahmen der rückblickenden Aufteilung des Sonderausgabenabzugs ein Nachrang der Beiträge zu dieser Vorsorgeform anzunehmen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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