Doppelte Haushaltsführung: Zum Unterhalten eines eigenen Hausstands bei Finanzierung durch einen Dritten
BFH 28.3.2012, VI R 87/10Die geschiedene Klägerin war seit dem Jahr 2003 und auch in den Streitjahren (2004 bis 2006) als Erzieherin in A nichtselbständig tätig. Die Klägerin machte für die Streitjahre im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung u.a. Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in A mit der Begründung geltend, dass ihr Lebensmittelpunkt sich in B befinde. Das Finanzamt ließ dagegen in den daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre die als Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung geltend gemachten Kosten jeweils unberücksichtigt.
Im daran anschließenden Einspruchsverfahren teilte das Finanzamt B dem beklagten Finanzamt mit, dass das von der Klägerin angeblich bewohnte Obergeschoss im Haus der Eltern eine Größe von 29 qm habe. Daraufhin versagte das beklagte Finanzamt auch die im Jahr 2004 bisher angesetzten Aufwendungen für 26 Fahrten Wohnung-Arbeitsstätte von B nach A und wies den Einspruch i.Ü. zurück. Die Klägerin macht dagegen geltend, dass ihre Wohnung in A mit nur 27 qm lediglich eine Unterkunft darstelle, ihr Hausstand sich aber in B in der im Obergeschoss des Hauses ihrer Eltern gelegenen 52 qm großen Wohnung befinde. Nach der Trennung von ihrem Ehemann habe sie diese Wohnung von ihren Eltern angemietet.
Das FG wies die Klage ab. Die Klägerin habe in B keinen eigenen Hausstand unterhalten, sondern sei vielmehr in den Hausstand ihrer Eltern eingegliedert gewesen. Das Unterhalten eines eigenen Hausstandes bedeute das Führen eines Haushalts. Dazu gehöre auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkomme. Der Mietvertrag zwischen der Klägerin und ihrer Mutter sei einkommensteuerrechtlich dagegen nicht anzuerkennen. Die Klägerin habe die Mietzahlungen nicht nachweisen können. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Hausstand i.S.d. Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Ein eigener Hausstand wird nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern nur in einen fremden Haushalt - etwa in den der Eltern - eingegliedert ist.
Insbes. dann, wenn dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, ist zu prüfen, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Dabei hat der Senat aber dem Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich - eine gewichtige - Indizfunktion beigemessen, ohne die Entgeltlichkeit indessen als unerlässliche Voraussetzung zu betrachten. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Zwischen dem Unterhalten eines eigenen Haushalts und der Frage, wer die Kosten dafür trägt, ist zu unterscheiden. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen.
Der Hausstand i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG ist der Erst- oder Haupthaushalt, den der Steuerpflichtige in einer Wohnung innehat. Ob ein Steuerpflichtiger in einer Wohnung einen eigenen Hausstand führt, kann mithin nur unter Berücksichtigung insbes. der Einrichtung, der Ausstattung und der Größe eben dieser Wohnung entschieden werden. Wird der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands auszugehen sein.
Gemessen daran hält die Entscheidung der Vorinstanz revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Wenn das FG überzeugt war, dass die Klägerin zwar wieder in B ihren Lebensmittelpunkt gehabt hatte, aber das Unterhalten eines eigenen Hausstandes durch die Klägerin insbes. unter Hinweis auf die fehlende "Kostentragung im Übrigen" verneinte, hat es nicht alle maßgebenden Umstände festgestellt und in seine Überzeugungsbildung einbezogen. So wurden insbes. keine Feststellungen zur Abgeschlossenheit, Lage, Einrichtung und Ausstattung der nach Auffassung der Klägerin den Haupthausstand beherbergenden Wohnung getroffen. Entsprechendes gilt für die Wohnungsgröße, nämlich ob die Wohnung eine Größe von 29 qm oder von über 50 qm aufweist.
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