Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter gegen den Bescheid zur Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos
Kurzbesprechung
BFH v. 10. 12. 2019 - I B 35/19
KStG § 27 Abs. 2 S 1
AO § 166
GG Art 19 Abs. 4
Der Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG richtet sich ausschließlich gegen die dort genannte Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, hat diese die Befugnis, gegen den Feststellungsbescheid vorzugehen. Dieser Bescheid entfaltet über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Nach dieser Vorschrift gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital i.S. des § 27 KStG als verwendet gilt. Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind damit die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG ausgewiesenen Bestände.
Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen. Ob wegen der bestehenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung auch die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft neben dieser gegen den Feststellungsbescheid als Drittanfechtungsberechtigte klagen können, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der BFH hat insoweit zwar erhebliche Zweifel, aber selbst wenn ein Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter bestünde, so wäre dies jedenfalls den sich aus § 166 AO ergebenden Beschränkungen unterworfen.
Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies gemäß § 166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
Im Streitfall waren die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass § 166 AO nicht im engeren Sinne allein Steuerfestsetzungen gegenüber dem Steuerpflichtigen erfasst, sondern auf die den Steuerbescheiden grundsätzlich gleichgestellten (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO) Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und deren Adressaten zu erstrecken ist. Die Rechtsfolge des § 166 AO besteht darin, dass der Dritte, der von dem ihm zustehenden Anfechtungsrecht bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Bescheids nicht Gebrauch macht, die (angebliche) Rechtswidrigkeit des Bescheids --im Streitfall die unzutreffende Höhe des Bestands des steuerlichen Einlagekontos-- wegen der sich auf ihn erstreckenden Bestandskraft nicht mehr geltend machen kann.
Es entspricht ferner allgemeiner Auffassung, dass die Regelung des § 166 AO mit den sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Anforderungen grundsätzlich vereinbar ist. Auch mit der Einbeziehung der Drittanfechtungsbefugnis in den Anwendungsbereich des § 166 AO wird der Rechtsschutz der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gegenüber dem Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
In erster Linie gebietet es der Sachgrund der Rechtssicherheit, die Drittanfechtungsbefugnis der Anteilseigner dem Regime des § 166 AO zu unterwerfen. Mit der vom BFH im Streitfall befürworteten Anwendung des § 166 AO wird der Rechtsschutz gegenüber fehlerhaften Feststellungsbescheiden auch nicht in unverhältnismäßiger Weise beschnitten. Diesbezüglich machte der BFH deutlich, dass der Kapitalgesellschaft umfassende Anfechtungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, so dass die von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Kontrolle des Verwaltungshandelns dem Grunde nach sichergestellt ist (kein Rechtswegausschluss).
Es gilt weiterhin zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern zwar vom Trennungsprinzip beherrscht wird, doch stehen sich beide Ebenen nicht beziehungslos gegenüber. Vielmehr sind Gesellschaft und Gesellschafter gesellschaftsvertraglich miteinander verbunden und die Gesellschafter können ihre daraus resultierenden Rechte (z.B. Informationsrechte) einsetzen, um die Kapitalgesellschaft zur Einlegung von Einsprüchen gegen vermeintlich rechtswidrige Feststellungsbescheide zu veranlassen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
KStG § 27 Abs. 2 S 1
AO § 166
GG Art 19 Abs. 4
Der Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG richtet sich ausschließlich gegen die dort genannte Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, hat diese die Befugnis, gegen den Feststellungsbescheid vorzugehen. Dieser Bescheid entfaltet über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Nach dieser Vorschrift gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital i.S. des § 27 KStG als verwendet gilt. Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind damit die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG ausgewiesenen Bestände.
Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen. Ob wegen der bestehenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung auch die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft neben dieser gegen den Feststellungsbescheid als Drittanfechtungsberechtigte klagen können, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Der BFH hat insoweit zwar erhebliche Zweifel, aber selbst wenn ein Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter bestünde, so wäre dies jedenfalls den sich aus § 166 AO ergebenden Beschränkungen unterworfen.
Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies gemäß § 166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.
Im Streitfall waren die Voraussetzungen dieser Norm erfüllt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass § 166 AO nicht im engeren Sinne allein Steuerfestsetzungen gegenüber dem Steuerpflichtigen erfasst, sondern auf die den Steuerbescheiden grundsätzlich gleichgestellten (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO) Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und deren Adressaten zu erstrecken ist. Die Rechtsfolge des § 166 AO besteht darin, dass der Dritte, der von dem ihm zustehenden Anfechtungsrecht bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Bescheids nicht Gebrauch macht, die (angebliche) Rechtswidrigkeit des Bescheids --im Streitfall die unzutreffende Höhe des Bestands des steuerlichen Einlagekontos-- wegen der sich auf ihn erstreckenden Bestandskraft nicht mehr geltend machen kann.
Es entspricht ferner allgemeiner Auffassung, dass die Regelung des § 166 AO mit den sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Anforderungen grundsätzlich vereinbar ist. Auch mit der Einbeziehung der Drittanfechtungsbefugnis in den Anwendungsbereich des § 166 AO wird der Rechtsschutz der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gegenüber dem Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 KStG nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.
In erster Linie gebietet es der Sachgrund der Rechtssicherheit, die Drittanfechtungsbefugnis der Anteilseigner dem Regime des § 166 AO zu unterwerfen. Mit der vom BFH im Streitfall befürworteten Anwendung des § 166 AO wird der Rechtsschutz gegenüber fehlerhaften Feststellungsbescheiden auch nicht in unverhältnismäßiger Weise beschnitten. Diesbezüglich machte der BFH deutlich, dass der Kapitalgesellschaft umfassende Anfechtungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, so dass die von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Kontrolle des Verwaltungshandelns dem Grunde nach sichergestellt ist (kein Rechtswegausschluss).
Es gilt weiterhin zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern zwar vom Trennungsprinzip beherrscht wird, doch stehen sich beide Ebenen nicht beziehungslos gegenüber. Vielmehr sind Gesellschaft und Gesellschafter gesellschaftsvertraglich miteinander verbunden und die Gesellschafter können ihre daraus resultierenden Rechte (z.B. Informationsrechte) einsetzen, um die Kapitalgesellschaft zur Einlegung von Einsprüchen gegen vermeintlich rechtswidrige Feststellungsbescheide zu veranlassen.