12.02.2016

Eigene Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwalts-GmbH führt nicht zur Lohn bei den angestellten Anwälten

Schließt eine Rechtsanwalts-GmbH als alleinige Versicherungsnehmerin eine eigene Berufshaftpflichtversicherung nach § 59j BRAO ab, so führt dies nicht zu Lohn bei den angestellten Anwälten. Die Rechtsanwaltsgesellschaft wendet dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu.

BFH 19.11.2015, VI R 74/14
Der Sachverhalt:
Die klagende Rechtsanwaltsgesellschaft (in Rechtsform einer GmbH) berät insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit internationalem Bezug. Die Klägerin tritt gegenüber Mandanten alleine als Vertragspartei auf, schließt die Mandatsverträge und ist in der Prozessvollmacht genannt. Den zur Geschäftsführung der Klägerin berechtigten Personen ist arbeitsvertraglich eine eigene anwaltliche Tätigkeit untersagt. Als alleinige Versicherungsnehmerin schloss die Klägerin eine eigene Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Versicherungssummen beliefen sich zunächst entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 59j Abs. 2 BRAO zur Mindestversicherungssumme einer Rechtsanwalts-GmbH auf 2,5 Mio. € je Versicherungsfall und einer Höchstleistung von 10 Mio. € je Versicherungsjahr (seit 2009 10 bzw. 20 Mio. €).

Versichert war das Risiko der weltweiten Tätigkeit der Klägerin als selbständig zugelassene Rechtsanwalts-GmbH. Die Versicherung umfasste Schäden, die durch die Klägerin selbst oder durch eine Person verursacht wurden, für die sie nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hatte. Der Versicherungsschein nannte die einzelnen Rechtsanwälte unter der Rubrik "Versichertes Risiko und Beitragsberechnung" namentlich mit dem auf sie rechnerisch entfallenden Versicherungsbeitrag. Die Summe dieser Beiträge entsprach der von der Klägerin zu zahlenden Gesamtprämie.

Jeder angestellte Anwalt der Klägerin unterhielt zudem die nach § 51 BRAO für die Zulassung als Rechtsanwalt notwendige persönliche Berufshaftpflichtversicherung mit den Mindestversicherungssummen des § 51 Abs. 4 BRAO. Die Klägerin übernahm die Versicherungsbeiträge für diese persönlichen Berufshaftpflichtversicherungen und unterwarf sie vollständig der Lohnsteuer. Die Beiträge für ihre eigene Haftpflichtversicherung wurden von der Klägerin demgenüber nicht lohnversteuert. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, dass auch die Beiträge der Klägerin zu ihrer eigenen Haftpflichtversicherung als Rechtsanwalts-GmbH der Lohnsteuer zumindest im Umfang einer "Grunddeckung" zu unterwerfen seien, und erließ entsprechende Bescheide.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klägerin hat ihren Arbeitnehmern durch den Abschluss ihrer eigenen Berufshaftpflichtversicherung keinen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil zugewandt.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und Löhnen - auch andere Bezüge und Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Vorteile, die sich objektiv nicht als Entlohnung, sondern nur als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, können demgegenüber nicht als Arbeitslohn angesehen werden. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden.

Demzufolge führte der Erwerb eines eigenen Haftpflichtversicherungsschutzes i.S.d. § 59j BRAO durch die Klägerin als Arbeitgeberin zu keinem lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil bei ihren Arbeitnehmern. Der von der Klägerin erworbene Versicherungsschutz zur Deckung der sich aus ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden i.S.d. §§ 59j, 51 Abs. 1 S. 1 BRAO diente ihrem eigenen Versicherungsschutz. Damit war das Risiko der weltweiten Tätigkeit der Klägerin als selbständig zugelassene Rechtsanwalts-GmbH versichert; es waren Schäden umfasst, die durch die Klägerin selbst oder durch eine Person verursacht wurden, für die sie nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hatte. Diese Berufshaftpflichtversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben und notwendige Voraussetzung für die gewerbliche rechtsberatende Tätigkeit der Klägerin selbst als Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c Abs. 1, § 59j Abs. 1 BRAO), die nach § 13 Abs. 2 GmbHG den Mandanten gegenüber mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet.

Angesichts dessen erfasst diese Versicherung keine Haftpflichtansprüche, die sich gegen die bei der Klägerin nichtselbständig tätigen Rechtsanwälte selbst richten; deshalb versicherte die Klägerin durch den Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung ihre eigene Berufstätigkeit und wandte ihren Arbeitnehmern dadurch weder Geld noch einen geldwerten Vorteil in Form des Versicherungsschutzes zu. Nichts anderes folgt aus § 51 Abs. 1 BRAO. Die Haftpflichtversicherung nach § 59j BRAO lässt die Versicherungspflicht nach § 51 Abs. 1 BRAO nicht entfallen. Die Klägerin wandte dadurch, dass sie die Aufwendungen ihrer angestellten Rechtsanwälte für deren eigene Berufshaftpflichtversicherung nach § 51 Abs. 1 BRAO übernahm, ihren Arbeitnehmern zwar lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteile zu. Aber diese Vorteile unterwarf die Klägerin der Lohnsteuer.

Ein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil folgt i.Ü. auch nicht daraus, dass die für die Klägerin nichtselbständig tätigen Rechtsanwälte ihre eigene Haftpflichtversicherung nach § 51 BRAO mit den Mindestversicherungssummen abschlossen. Denn damit haben die angestellten Rechtsanwälte den Anforderungen und Verpflichtungen aus § 51 BRAO entsprochen. Die davon abweichende Höhe des Mindestversicherungsschutzes bei deren Arbeitgeberin, der Klägerin selbst, begründet keinen solchen Vorteil.

Linkhinweis:

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