Einheitlicher Steuergegenstand der Gewerbesteuer bei mehreren Betätigungen derselben natürlichen Person
Kurzbesprechung
BFH v. 17.6.2020 - X R 15/18
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1
AO § 119 Abs 1
Der Steuerpflichtige betrieb seit dem Jahr 2009 sowohl ein Eiscafé als auch einen Grillimbiss. Er übte beide Tätigkeiten im selben Gebäude aus.
FA und FG entschieden, dass es sich hierbei um zwei selbständige Gewerbebetriebe handele. Dies sieht der BFH jedoch differenzierter, er hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Der Gewerbesteuer als einer auf den jeweiligen Betrieb gelegten Objektsteuer unterliegt als Steuergegenstand jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dabei ist unter "Gewerbebetrieb" ein gewerbliches Unternehmen i.S. des Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG).
Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb oder aber um mehrere selbständige Betriebe --und damit um mehrere Steuergegenstände-- handeln. Zur Beurteilung dieser Frage unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung zwischen gleichartigen und ungleichartigen Betätigungen. In beiden Fällen ist ein sachlicher (wirtschaftlicher, organisatorischer oder finanzieller) Zusammenhang zwischen den Betätigungen erforderlich, um sie als einen einzigen Steuergegenstand ansehen zu können; die erforderliche Mindest-Intensität dieses Zusammenhangs ist in den beiden Fallgruppen aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Maßgebend ist jeweils das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.
Für gleichartige Betätigungen in der Hand desselben Unternehmers besteht die Vermutung, dass hier ein einheitlicher Betrieb anzunehmen sein wird, wenn nicht ganz besondere Umstände dagegensprechen. Bei ungleichartigen Betätigungen stellt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis jedoch umgekehrt dar. Grundsätzlich indiziert die Ungleichartigkeit der Betätigungen ihre gewerbesteuerrechtliche Selbständigkeit. Auch in solchen Fällen kann es sich aber um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handeln, wenn die verschiedenen Betätigungen --vor allem-- wirtschaftlich und daneben auch organisatorisch und finanziell zusammenhängen.
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die beiden Betätigungen einander stützen und ergänzen. Ein wesentliches Indiz liegt darin, dass das Angebot der einen Betätigung die andere ergänzt oder Kunden des einen Bereichs gelegentlich an den anderen Bereich weitergeleitet werden.
Kriterien für einen organisatorischen Zusammenhang sind etwa die Benutzung derselben Räume und Einrichtungen, die Tätigkeit derselben Mitarbeiter in beiden Bereichen sowie ein (teilweise) gemeinsamer Einkauf.
Für einen finanziellen Zusammenhang spricht die Führung gemeinsamer Kassen, Aufzeichnungen oder Bankkonten sowie eine einheitliche Gewinnermittlung, ferner die einheitliche Kostentragung für beide Bereiche sowie der Ausgleich von Verlusten der einen Betätigung durch Gewinne der anderen Betätigung.
Schon die bisherige Rechtsprechung lässt erkennen, dass nicht von einer strikten Zweiteilung der Fallgruppen, sondern von dem Kontinuum allmählich steigender Anforderungen an den Grad des für eine Zusammenfassung erforderlichen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen auszugehen ist. Auf dieser Grundlage ist gerade in Fallgestaltungen, in denen es --wie auch im Streitfall-- um die Beurteilung zweier Tätigkeiten aus dem Bereich der Gastronomie ging, bei Vorliegen eines gewissen Zusammenhangs häufig ein einheitlicher Steuergegenstand bejaht worden.
Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang die Verhältnisse des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalls erneut würdigen. Weil es sich nicht um eindeutig ungleichartige Betätigungen handelt, wird es dabei nicht so strenge Anforderungen an den Grad des erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs stellen dürfen wie bei seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang.
Darüber hinaus ist der BFH der Auffassung, dass bestimmte Sachverhaltsmerkmale, die das FG ausschließlich dem --von ihm bejahten, aber nicht für wesentlich gehaltenen-- organisatorischen Zusammenhang zugeordnet hat, auch für den --vom FG verneinten und mit besonderem Gewicht im Rahmen der Gesamtwürdigung ausgestatteten-- wirtschaftlichen Zusammenhang von Bedeutung sind.
Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass beide Geschäftslokale im selben Gebäude liegen, und vor allem für die Nutzung desselben Außengastronomiebereichs und derselben Kundentoilette. Gerade hieraus folgt, dass die beiden Betätigungen einander stützen und sich gegenseitig ergänzen.
Der BFH weist darüber hinaus darauf hin, dass es gewerbesteuerrechtlich nicht nur die Möglichkeit des einheitlichen Betriebs oder der vollkommen getrennten Betriebe gibt, sondern es auch ein aus mehreren Teilbetrieben bestehender einheitlicher Steuergegenstand denkbar ist. Im Streitfall liegt auf der Grundlage der Feststellungen des FG die Annahme zweier Teilbetriebe durchaus im Bereich des Möglichen. Bei Annahme zweier Teilbetriebe verlöre auch das Argument des FG an Gewicht, der Steuerpflichtige habe die beiden Betätigungen zu verschiedenen Zeitpunkten angemeldet und später zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedliche Personen übergeben. Denn die Möglichkeit, einen Teilbetrieb gerade unabhängig vom Hauptbetrieb oder von einem anderen Teilbetrieb erwerben bzw. veräußern zu können, ist aufgrund der "gewissen" Selbständigkeit gerade typisch für solche Untereinheiten.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1
AO § 119 Abs 1
Der Steuerpflichtige betrieb seit dem Jahr 2009 sowohl ein Eiscafé als auch einen Grillimbiss. Er übte beide Tätigkeiten im selben Gebäude aus.
FA und FG entschieden, dass es sich hierbei um zwei selbständige Gewerbebetriebe handele. Dies sieht der BFH jedoch differenzierter, er hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.
Der Gewerbesteuer als einer auf den jeweiligen Betrieb gelegten Objektsteuer unterliegt als Steuergegenstand jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Dabei ist unter "Gewerbebetrieb" ein gewerbliches Unternehmen i.S. des Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG).
Übt eine natürliche Person mehrere gewerbliche Tätigkeiten aus, kann es sich gewerbesteuerrechtlich entweder um einen einheitlichen Betrieb oder aber um mehrere selbständige Betriebe --und damit um mehrere Steuergegenstände-- handeln. Zur Beurteilung dieser Frage unterscheidet die höchstrichterliche Rechtsprechung zwischen gleichartigen und ungleichartigen Betätigungen. In beiden Fällen ist ein sachlicher (wirtschaftlicher, organisatorischer oder finanzieller) Zusammenhang zwischen den Betätigungen erforderlich, um sie als einen einzigen Steuergegenstand ansehen zu können; die erforderliche Mindest-Intensität dieses Zusammenhangs ist in den beiden Fallgruppen aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Maßgebend ist jeweils das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls.
Für gleichartige Betätigungen in der Hand desselben Unternehmers besteht die Vermutung, dass hier ein einheitlicher Betrieb anzunehmen sein wird, wenn nicht ganz besondere Umstände dagegensprechen. Bei ungleichartigen Betätigungen stellt sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis jedoch umgekehrt dar. Grundsätzlich indiziert die Ungleichartigkeit der Betätigungen ihre gewerbesteuerrechtliche Selbständigkeit. Auch in solchen Fällen kann es sich aber um einen einheitlichen Gewerbebetrieb handeln, wenn die verschiedenen Betätigungen --vor allem-- wirtschaftlich und daneben auch organisatorisch und finanziell zusammenhängen.
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die beiden Betätigungen einander stützen und ergänzen. Ein wesentliches Indiz liegt darin, dass das Angebot der einen Betätigung die andere ergänzt oder Kunden des einen Bereichs gelegentlich an den anderen Bereich weitergeleitet werden.
Kriterien für einen organisatorischen Zusammenhang sind etwa die Benutzung derselben Räume und Einrichtungen, die Tätigkeit derselben Mitarbeiter in beiden Bereichen sowie ein (teilweise) gemeinsamer Einkauf.
Für einen finanziellen Zusammenhang spricht die Führung gemeinsamer Kassen, Aufzeichnungen oder Bankkonten sowie eine einheitliche Gewinnermittlung, ferner die einheitliche Kostentragung für beide Bereiche sowie der Ausgleich von Verlusten der einen Betätigung durch Gewinne der anderen Betätigung.
Schon die bisherige Rechtsprechung lässt erkennen, dass nicht von einer strikten Zweiteilung der Fallgruppen, sondern von dem Kontinuum allmählich steigender Anforderungen an den Grad des für eine Zusammenfassung erforderlichen Zusammenhangs in Abhängigkeit vom zunehmenden Grad der Verschiedenartigkeit der Betätigungen auszugehen ist. Auf dieser Grundlage ist gerade in Fallgestaltungen, in denen es --wie auch im Streitfall-- um die Beurteilung zweier Tätigkeiten aus dem Bereich der Gastronomie ging, bei Vorliegen eines gewissen Zusammenhangs häufig ein einheitlicher Steuergegenstand bejaht worden.
Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang die Verhältnisse des vorliegend zu beurteilenden Einzelfalls erneut würdigen. Weil es sich nicht um eindeutig ungleichartige Betätigungen handelt, wird es dabei nicht so strenge Anforderungen an den Grad des erforderlichen wirtschaftlichen, organisatorischen und finanziellen Zusammenhangs stellen dürfen wie bei seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang.
Darüber hinaus ist der BFH der Auffassung, dass bestimmte Sachverhaltsmerkmale, die das FG ausschließlich dem --von ihm bejahten, aber nicht für wesentlich gehaltenen-- organisatorischen Zusammenhang zugeordnet hat, auch für den --vom FG verneinten und mit besonderem Gewicht im Rahmen der Gesamtwürdigung ausgestatteten-- wirtschaftlichen Zusammenhang von Bedeutung sind.
Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass beide Geschäftslokale im selben Gebäude liegen, und vor allem für die Nutzung desselben Außengastronomiebereichs und derselben Kundentoilette. Gerade hieraus folgt, dass die beiden Betätigungen einander stützen und sich gegenseitig ergänzen.
Der BFH weist darüber hinaus darauf hin, dass es gewerbesteuerrechtlich nicht nur die Möglichkeit des einheitlichen Betriebs oder der vollkommen getrennten Betriebe gibt, sondern es auch ein aus mehreren Teilbetrieben bestehender einheitlicher Steuergegenstand denkbar ist. Im Streitfall liegt auf der Grundlage der Feststellungen des FG die Annahme zweier Teilbetriebe durchaus im Bereich des Möglichen. Bei Annahme zweier Teilbetriebe verlöre auch das Argument des FG an Gewicht, der Steuerpflichtige habe die beiden Betätigungen zu verschiedenen Zeitpunkten angemeldet und später zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedliche Personen übergeben. Denn die Möglichkeit, einen Teilbetrieb gerade unabhängig vom Hauptbetrieb oder von einem anderen Teilbetrieb erwerben bzw. veräußern zu können, ist aufgrund der "gewissen" Selbständigkeit gerade typisch für solche Untereinheiten.