Einkommensteuer als Masseverbindlichkeit bei Verwertung sicherungsübereigneten beweglichen Betriebsvermögens durch den absonderungsberechtigten Gläubiger
Kurzbesprechung
BFH v. 14.12.2022 - X R 9/20
FGO § 60 Abs. 3 Satz 1, § 73 Abs. 2, § 122 Abs. 1, § 128 Abs. 2
InsO § 35 Abs. 1, InsO § 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 166 Abs. 1, § 170 Abs. 2
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Im Streitfall hatte das FA zu Recht die Einkommensteuer, soweit sie auf den Gewinn aus der Veräußerung betrieblicher Wirtschaftsgüter entfällt, in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2013 als gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festzusetzende Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst.
Entscheidend für die Qualifikation der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeiten war im Streitfall, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
Im Streitfall waren die Tatbestandsmerkmale des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO erfüllt. denn es handelte sich bei den veräußerten Gegenständen um bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die zur Insolvenzmasse gehörten.
Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). In die Insolvenzmasse fallen auch Gegenstände, die der Schuldner einem Dritten zur Sicherheit übereignet hat, wenn sie sich ‑ zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ‑ noch im Besitz des Schuldners befinden.
Sicherungseigentum an beweglichen Sachen begründet im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1 InsO). Nach Maßgabe dessen gehörten die durch die absonderungsberechtigte Kreissparkasse veräußerten beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zur Insolvenzmasse, auch wenn sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Kreissparkasse zur Sicherheit übereignet worden sein sollten.
Die auf den Gewinn aus der Veräußerung der beweglichen Wirtschaftsgüter entfallende Einkommensteuer erfüllte ‑ was die Zuordnung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft ‑ die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit. Denn im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründete Steueransprüche sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Später begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen. Alle sonstigen Ansprüche sind insolvenzfrei.
Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist gegebenenfalls in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine insolvenzfreie Forderung aufzuteilen. Dabei richtet sich die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Entscheidend ist dabei, ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist. Dies richtet sich allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen.
Für die insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs kommt es deshalb darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand ‑ insbesondere die Erzielung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG ‑ vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.
Im Streitfall hatte das FA zu Recht die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer der Kategorie der Masseverbindlichkeit zugeordnet und dementsprechend gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter durch einen (gegenständlich beschränkten) Steuerbescheid festgesetzt. Denn der in Rede stehende Besteuerungstatbestand ‑ Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Veräußerung der zum Betriebsvermögen gehörenden beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ‑ war nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden.
Die auf die gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung der betrieblichen Gegenstände entfallende Einkommensteuer war nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO durch Handlungen des Klägers, sondern ‑ als weitere Möglichkeit für die Entstehung von Masseverbindlichkeiten ‑ gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden; sie gehörte daher nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO.
Verlag Dr. Otto Schmidt
FGO § 60 Abs. 3 Satz 1, § 73 Abs. 2, § 122 Abs. 1, § 128 Abs. 2
InsO § 35 Abs. 1, InsO § 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 166 Abs. 1, § 170 Abs. 2
EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Im Streitfall hatte das FA zu Recht die Einkommensteuer, soweit sie auf den Gewinn aus der Veräußerung betrieblicher Wirtschaftsgüter entfällt, in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2013 als gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter festzusetzende Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfasst.
Entscheidend für die Qualifikation der Einkommensteuer als Masseverbindlichkeiten war im Streitfall, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
Im Streitfall waren die Tatbestandsmerkmale des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO erfüllt. denn es handelte sich bei den veräußerten Gegenständen um bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die zur Insolvenzmasse gehörten.
Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). In die Insolvenzmasse fallen auch Gegenstände, die der Schuldner einem Dritten zur Sicherheit übereignet hat, wenn sie sich ‑ zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ‑ noch im Besitz des Schuldners befinden.
Sicherungseigentum an beweglichen Sachen begründet im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1, § 50 Abs. 1 InsO). Nach Maßgabe dessen gehörten die durch die absonderungsberechtigte Kreissparkasse veräußerten beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zur Insolvenzmasse, auch wenn sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Kreissparkasse zur Sicherheit übereignet worden sein sollten.
Die auf den Gewinn aus der Veräußerung der beweglichen Wirtschaftsgüter entfallende Einkommensteuer erfüllte ‑ was die Zuordnung zu den insolvenzrechtlichen Forderungskategorien betrifft ‑ die Voraussetzungen einer Masseverbindlichkeit. Denn im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründete Steueransprüche sind zur Insolvenztabelle anzumelden. Später begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen. Alle sonstigen Ansprüche sind insolvenzfrei.
Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist gegebenenfalls in eine Insolvenzforderung, eine Masseforderung und eine insolvenzfreie Forderung aufzuteilen. Dabei richtet sich die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Entscheidend ist dabei, ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit die Steuerforderung insolvenzrechtlich begründet worden ist. Dies richtet sich allein nach steuerrechtlichen Grundsätzen.
Für die insolvenzrechtliche Begründung des Einkommensteueranspruchs kommt es deshalb darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand ‑ insbesondere die Erzielung von Einkünften nach § 2 Abs. 1 EStG ‑ vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde.
Im Streitfall hatte das FA zu Recht die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer der Kategorie der Masseverbindlichkeit zugeordnet und dementsprechend gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter durch einen (gegenständlich beschränkten) Steuerbescheid festgesetzt. Denn der in Rede stehende Besteuerungstatbestand ‑ Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Veräußerung der zum Betriebsvermögen gehörenden beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ‑ war nach Insolvenzeröffnung verwirklicht worden.
Die auf die gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung der betrieblichen Gegenstände entfallende Einkommensteuer war nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO durch Handlungen des Klägers, sondern ‑ als weitere Möglichkeit für die Entstehung von Masseverbindlichkeiten ‑ gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden; sie gehörte daher nicht zu den Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO.