Einkommensteuer kann als Masseschuld festgesetzt werden
BFH 16.4.2015, III R 21/11Der Kläger war im Herbst 2002 im Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen des A. zum vorläufigen Insolvenzverwalter und mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anfang 2003 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Der A. war während des Insolvenzverfahrens weiterhin unternehmerisch tätig. Seine im Streitjahr 2004 daraus erzielten Betriebseinnahmen i.H.v. rund 25.678 € wurden auf einem vom Kläger für das Insolvenzverfahren geführten Anderkonto vereinnahmt und i.H.v. 20.704 € an den Schuldner ausgekehrt. Der Differenzbetrag verblieb als Massezufluss. Der A. verwendete die an ihn ausgekehrten Mittel teilweise zur Begleichung der Betriebsausgaben (u.a. Material-, Fahrt- und Telefonkosten).
Im Oktober 2008 hob das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf, ordnete aber die Nachtragsverteilung an, wenn zurückbehaltene Massebeträge für eine weitere Verteilung frei würden. Wegen der im vorliegenden Verfahren streitigen Einkommensteuer 2004 wurden entsprechende Beträge zurückbehalten. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Einkommensteuer in vollem Umfang eine Masseverbindlichkeit darstelle. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers blieb vor dem BFH erfolglos.
Die Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass die infolge der Tätigkeit des Schuldners entstandene Einkommensteuerschuld für 2004 Masseverbindlichkeit ist und gegenüber dem Kläger festzusetzen war. Die Einkommensteuer ist als Masseschuld aufgrund massebezogenen Verwaltungshandelns gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen, wenn dieser die selbständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Interesse der Masse erlaubt, die Betriebseinnahmen zur Masse zieht, soweit sie dem Schuldner nicht für seinen Unterhalt belassen werden, und die Fortführung der Tätigkeit ermöglicht, indem er zur Masse gehörende Mittel einsetzt, um durch die Tätigkeit entstehende Forderungen Dritter zu begleichen.
Der Kläger hatte die Tätigkeit des A. weder freigegeben noch lediglich geduldet. Er hatte vielmehr die Fortführung der betrieblichen Tätigkeit im Interesse der Masse erlaubt und an ihr mitgewirkt, indem er die Betriebseinnahmen auf einem von ihm eingerichteten Anderkonto für die Masse vereinnahmt und sodann zur Masse gehörende Mittel dem Schuldner überlassen hatte, um die durch den fortgeführten Betrieb entstehenden Forderungen Dritter zu begleichen. Damit beruhte die durch die Tätigkeit des Schuldners ausgelöste Einkommensteuerschuld, die nach Insolvenzeröffnung verwirklicht und damit insolvenzrechtlich i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 InsO "begründet" worden war, auf dem Verwaltungshandeln des Insolvenzverwalters und stellte eine Masseverbindlichkeit dar. Eine Differenzierung, wonach etwa die durch den fortgeführten Betrieb verursachten Materialkosten Masseverbindlichkeit sind, nicht aber die dadurch ausgelösten Steuern, schied aus.
Obschon der Insolvenzmasse nicht die gesamten gewerblichen Einkünfte verblieben waren, kam eine Aufteilung der Einkommensteuer dergestalt, dass ein Teil gegen den Insolvenzverwalter und der andere Teil gegen den Schuldner festgesetzt werden, nicht in Betracht. Denn ist die durch die Verwaltung der Insolvenzmasse entstandene Einkommensteuer - wie hier - insgesamt als sonstige Masseverbindlichkeit zu qualifizieren, kann es nicht darauf ankommen, in welchem Umfang Einkünfte zur Masse gelangt oder für die Lebenshaltung des Schuldners verbraucht worden sind. Eine solche Einschränkung der Masseverbindlichkeit ist dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 InsO nicht zu entnehmen.
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