Elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden für die Grunderwerbsteuer
Kurzbesprechung
BFH v. 8.11.2023 - II R 19/21
AO § 80 Abs 5 S 4, § 80a Abs 1 S 1, § 80a Abs 1 S 2, § 122 Abs 1 S 4
Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO). Nach § 80 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO bekanntgegeben worden ist (§ 80 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 4 AO). Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur beim Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
Im Streitfall lag dem FA eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Vollmacht vor, die die Prozessbevollmächtigte des Steuerpflichtigen als zum Empfang von Grunderwerbsteuerbescheiden berechtigt ausweist. Der angefochtene Bescheid hätte daher der Bevollmächtigten bekanntgegeben werden müssen.
Nach § 80a Abs. 1 Satz 1 AO können Daten aus einer Vollmacht zur Vertretung in steuerlichen Verfahren, die nach amtlich bestimmtem Formular erteilt worden sind, den Landesfinanzbehörden nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen übermittelt werden. Im Datensatz ist auch anzugeben, ob der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten zum Empfang von für ihn bestimmten Verwaltungsakten ermächtigt hat (§ 80a Abs. 1 Satz 2 AO).
Die Verwendung der amtlichen Vollmachtsformulare ist unabdingbare Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz. Wird eine Vollmacht ohne Verwendung der amtlich bestimmten Formulare vorgelegt, ist sie gleichwohl wirksam, da § 80 AO für den Nachweis einer Vollmacht keine Form vorschreibt. Ihre elektronische Übermittlung an die Finanzbehörden nach § 80a Abs. 1 AO scheidet dann aber aus.
Das BMF hat unter anderem mit dem Schreiben vom 1.8.2016 (BStBl I 2016, 662, Anlagen 1 und 2) amtliche Formulare im Sinne des § 80a Abs. 1 Satz 1 AO für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten bereitgestellt. Das in dem Schreiben vom 01.08.2016 (BStBl I 2016, 662, Anlage 3) ebenfalls enthaltene "Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" ist jedoch nicht Bestandteil des amtlich bestimmten Formulars im Sinne der Vorschrift. Seine Verwendung ist nicht Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden.
Das FG hatte im Streitfall zutreffend entschieden, dass die Bekanntgabe des in Rede stehenden Grunderwerbsteuerbescheids nicht an den Steuerpflichtigen, sondern an die Prozessbevollmächtigte zu erfolgen hatte. Denn die Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 Satz 4 Alternative 2 AO waren zum Zeitpunkt der Bekanntgabe erfüllt. Dem FA hatte eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorgelegen. Das Fehlen des "Beiblatts zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" (BMF-Schreiben vom 1.8.2016, BStBl I 2016, 662, Anlage 3), das dem vom Steuerpflichtigen unterzeichneten Vollmachtsformular noch nicht beigefügt war, stand der elektronischen Übermittlung der Vollmachtsdaten nach § 122 Abs. 1 Satz 4 Alternative 2 AO nicht entgegen, da das Beiblatt kein Bestandteil des amtlichen Formulars im Sinne des § 80a Abs. 1 Satz 1 AO ist.
Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige in dem an das FA übermittelten Dokument klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Prozessbevollmächtigte für alle Steuerarten und damit auch für die Grunderwerbsteuer als Bekanntgabebevollmächtigte bestellen will. Denn unter der Zeile "Diese Vollmacht gilt nicht für:" hatte er die Grunderwerbsteuer nicht angekreuzt. Aus der Eintragung der die Einkommensteuer betreffenden Steuernummer in den Formularkopf kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass sich die Vollmacht nur auf solche Steuerangelegenheiten beziehen sollte, die unter jener Steuernummer bearbeitet werden, da das Formular grundsätzlich auf die Erteilung einer Generalvollmacht abzielt. Sachliche oder zeitliche Grenzen der Bevollmächtigung hatte der Steuerpflichtige nicht durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Felder kenntlich gemacht.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 80 Abs 5 S 4, § 80a Abs 1 S 1, § 80a Abs 1 S 2, § 122 Abs 1 S 4
Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (§ 122 Abs. 1 Satz 1 AO). Nach § 80 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO kann der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO bekanntgegeben worden ist (§ 80 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 4 AO). Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss". Nur beim Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders verfahren als im Gesetz vorgesehen und den atypischen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
Im Streitfall lag dem FA eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Vollmacht vor, die die Prozessbevollmächtigte des Steuerpflichtigen als zum Empfang von Grunderwerbsteuerbescheiden berechtigt ausweist. Der angefochtene Bescheid hätte daher der Bevollmächtigten bekanntgegeben werden müssen.
Nach § 80a Abs. 1 Satz 1 AO können Daten aus einer Vollmacht zur Vertretung in steuerlichen Verfahren, die nach amtlich bestimmtem Formular erteilt worden sind, den Landesfinanzbehörden nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen übermittelt werden. Im Datensatz ist auch anzugeben, ob der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten zum Empfang von für ihn bestimmten Verwaltungsakten ermächtigt hat (§ 80a Abs. 1 Satz 2 AO).
Die Verwendung der amtlichen Vollmachtsformulare ist unabdingbare Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz. Wird eine Vollmacht ohne Verwendung der amtlich bestimmten Formulare vorgelegt, ist sie gleichwohl wirksam, da § 80 AO für den Nachweis einer Vollmacht keine Form vorschreibt. Ihre elektronische Übermittlung an die Finanzbehörden nach § 80a Abs. 1 AO scheidet dann aber aus.
Das BMF hat unter anderem mit dem Schreiben vom 1.8.2016 (BStBl I 2016, 662, Anlagen 1 und 2) amtliche Formulare im Sinne des § 80a Abs. 1 Satz 1 AO für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten bereitgestellt. Das in dem Schreiben vom 01.08.2016 (BStBl I 2016, 662, Anlage 3) ebenfalls enthaltene "Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" ist jedoch nicht Bestandteil des amtlich bestimmten Formulars im Sinne der Vorschrift. Seine Verwendung ist nicht Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden.
Das FG hatte im Streitfall zutreffend entschieden, dass die Bekanntgabe des in Rede stehenden Grunderwerbsteuerbescheids nicht an den Steuerpflichtigen, sondern an die Prozessbevollmächtigte zu erfolgen hatte. Denn die Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 Satz 4 Alternative 2 AO waren zum Zeitpunkt der Bekanntgabe erfüllt. Dem FA hatte eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorgelegen. Das Fehlen des "Beiblatts zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" (BMF-Schreiben vom 1.8.2016, BStBl I 2016, 662, Anlage 3), das dem vom Steuerpflichtigen unterzeichneten Vollmachtsformular noch nicht beigefügt war, stand der elektronischen Übermittlung der Vollmachtsdaten nach § 122 Abs. 1 Satz 4 Alternative 2 AO nicht entgegen, da das Beiblatt kein Bestandteil des amtlichen Formulars im Sinne des § 80a Abs. 1 Satz 1 AO ist.
Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige in dem an das FA übermittelten Dokument klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Prozessbevollmächtigte für alle Steuerarten und damit auch für die Grunderwerbsteuer als Bekanntgabebevollmächtigte bestellen will. Denn unter der Zeile "Diese Vollmacht gilt nicht für:" hatte er die Grunderwerbsteuer nicht angekreuzt. Aus der Eintragung der die Einkommensteuer betreffenden Steuernummer in den Formularkopf kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass sich die Vollmacht nur auf solche Steuerangelegenheiten beziehen sollte, die unter jener Steuernummer bearbeitet werden, da das Formular grundsätzlich auf die Erteilung einer Generalvollmacht abzielt. Sachliche oder zeitliche Grenzen der Bevollmächtigung hatte der Steuerpflichtige nicht durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Felder kenntlich gemacht.