05.01.2017

Entfernungspauschale: Privilegierung der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel verfassungsgemäß

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch die Entfernungspauschale sämtliche gewöhnlichen wie außergewöhnlichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßige Arbeitsstätte abgegolten werden. Insbesondere ist in dem Umstand, dass der Gesetzgeber Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel von der abzugsbeschränkenden Wirkung der Entfernungspauschale ausgenommen hat, kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu erblicken.

BFH 15.11.2016, VI R 4/15
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte mit den tatsächlichen Kosten oder nur in Höhe der Entfernungspauschale angesetzt werden können. Die verheirateten Kläger wurden für das Streitjahr (2010) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernung 43 km) die tatsächlichen Kosten von 0,44 €/km geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Wegekosten hingegen lediglich in Höhe der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG).

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Kläger hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zu Recht nur nach Maßgabe der Entfernungspauschale zum Werbungskostenabzug zugelassen.

Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von 0,30 € anzusetzen. Nach § 9 Abs. 2 S. 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen "sämtliche Aufwendungen" abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte veranlasst sind, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Diese können nach § 9 Abs. 2 S. 2 EStG auch angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag überschreiten.

Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch die Entfernungspauschale sämtliche gewöhnlichen wie außergewöhnlichen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte abgegolten werden (§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 und Abs. 2 S. 1 EStG). Der Gesetzgeber hat das ihm eingeräumte Regelungsermessen insoweit nicht überschritten. Vielmehr erweisen sich diese berufliche Mobilitätskosten nur eingeschränkt berücksichtigenden Regelungen für den - auch hier vorliegenden - Grundfall, den immer wiederkehrenden Fahrten zu einer regelmäßigen Arbeitsstätte, nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip. Eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleicher Rechte des Klägers durch die Anwendung der im Streitfall werbungskostenabzugsbeschränkend wirkenden Entfernungspauschale liegt nicht vor.

Der Umstand, dass der Gesetzgeber entsprechende Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach § 9 Abs. 2 S. 2 EStG, auch soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag überschreiten, zum Werbungskostenabzug zulässt, verstößt ebenfalls nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Privilegierung öffentlicher Verkehrsmittel in § 9 Abs. 2 S. 2 EStG ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn diese Regelung ist erkennbar von umwelt- und verkehrspolitischen Zielen getragen. Es ist deshalb gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel von der abzugsbegrenzenden Wirkung der Entfernungspauschale ausnimmt. Der Umstand, dass diese Verkehrsmittel insbesondere gegenüber dem motorisierten privaten Individualverkehr in Bezug auf den Primärenergieverbrauch und den Ausstoß von Treibhausgasen umweltfreundlicher sind, rechtfertigt deren Privilegierung.

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