Entgelte für Vertretung im ärztlichen Notdienst und Entnahme von Blutproben für die Polizei sind umsatzsteuerpflichtig
FG Münster v. 9.5.2023, 15 K 1953/20 U
Der Sachverhalt:
Der Kläger war selbständiger Arzt in der Allgemeinmedizin, der keinen eigenen Praxisbetrieb unterhielt. In den Streitjahren 2012 bis 2016 hatte er auf der Grundlage einer mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) geschlossenen Vereinbarung als Vertreter für andere Ärzte am hausärztlichen ambulanten Notfalldienst teilgenommen. Er hat für die vertretenen Ärzte alle mit dem ärztlichen Notdienst zusammenhängenden Verpflichtungen einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des übernommenen Notfalldienstes übernommen. Die im Rahmen des Notdienstes erbrachten ärztlichen Leistungen rechnete er entweder im Wege der Privatliquidation oder über die KVWL auf der Grundlage der geschlossenen Vereinbarung ab. Von dem jeweils vertretenen Arzt erhielt er für die Notdienstvertretung einen Stundenlohn zwischen 20,- € und 40,- €.
Daneben führte der Kläger in den Streitjahren für die Polizeibehörde Blutentnahmen durch. Hierbei fertigte er jeweils gemäß einem Muster einen einseitigen ärztlichen Bericht. Die Blutentnahmen rechnete der Kläger gegenüber der Landeskasse ab. Die Höhe der Vergütung hing dabei u.a. davon ab, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Blutentnahmen durchgeführt wurden. Der Kläger unterwarf sämtliche Zahlungen nicht der Umsatzsteuer.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Ansicht, dass die Vertretung im ärztlichen Notdienst und die Durchführung der Blutentnahmen umsatzsteuerpflichtig seien und erließ entsprechende Steuerbescheide. Hiergegen wandte sich der Kläger nach einem erfolglosem Einspruchsverfahren unter Hinweis darauf, dass es sich jeweils um steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 a) Satz 1 UStG handele.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger kann eine weitergehende Behandlung der von ihm erbrachten Umsätze als steuerfrei nicht beanspruchen. Die von ihm vereinnahmten Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notdienst standen nicht im Zusammenhang mit einer nach § 4 Nr. 14 a) UStG steuerfreien Heilbehandlung, sondern waren steuerpflichtig.
Die vom Kläger gegenüber den vertretenen Ärzten erbrachten sonstigen Leistungen waren darauf gerichtet, die Ärzte von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem übernommenen Dienst einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes freizustellen. Nur hierfür leisteten die vertretenen Ärzte das Entgelt an den Kläger und nicht für die vom Kläger im ärztlichen Notdienst ausgeübten Tätigkeiten oder zur Weiterleitung einer selbst bereits erhaltenen Vergütung. Diese Vertretungsleistungen waren nicht nach § 4 Nr. 14 a) Satz 1 UStG steuerfrei. Eine einheitliche Leistung aus der Vertretungsleistung und den im Notdienst ausgeführten, steuerfreien Heilbehandlungsleistungen konnte nicht angenommen werden. Die Vertretungsleistung selbst stellte keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung dar, denn sie diente keinem therapeutischen Zweck. Die Vertretung eines anderen, bereits zum ärztlichen Notfalldienst zugeteilten Arztes fördert den Schutz, die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit nicht weiter.
Soweit der Kläger demgegenüber darauf hingewiesen hatte, dass der ärztliche Notdienst selbst einem therapeutischen Zweck diene und er im Notdienst steuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbracht habe, folgte hieraus nichts anderes. Zum einen ging es im Streitfall um eine Vertretungsleistung. Zum anderen werden mit dem ärztlichen Notdienst nur die Voraussetzungen geschaffen und die (Personal-)Ressourcen vorgehalten, die für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen erforderlich sind. Dass eine solche zeitnahe Versorgung nur auf Grund des ärztlichen Notdienstes möglich ist, kann allein die Steuerfreiheit nicht begründen. Insbesondere erfasst die Steuerfreiheit - anders als andere Steuerbefreiungen - eng mit der Erbringung von Heilbehandlungsleistungen verbundene Leistungen nicht.
Auch die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörde stellte keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung dar. Leistungen, die vornehmlich anderen Zwecken als dem Schutz, der Aufrechterhaltung oder der Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dienen, sind nicht steuerfrei. So lag es aber bei den Blutentnahmen, die auf polizeiliche Anordnung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren erfolgt waren. Im Vordergrund stand dabei die Beweiserhebung und die Erstattung eines Gutachtens, nicht aber der Schutz der menschlichen Gesundheit. Das Entgelt hat sich deshalb insbesondere nach dem Ort, der Uhrzeit und der Anzahl der Blutentnahmen bei einer einzelnen Person gerichtet.
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FG Münster - Newsletter Juli 2023
Der Kläger war selbständiger Arzt in der Allgemeinmedizin, der keinen eigenen Praxisbetrieb unterhielt. In den Streitjahren 2012 bis 2016 hatte er auf der Grundlage einer mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) geschlossenen Vereinbarung als Vertreter für andere Ärzte am hausärztlichen ambulanten Notfalldienst teilgenommen. Er hat für die vertretenen Ärzte alle mit dem ärztlichen Notdienst zusammenhängenden Verpflichtungen einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des übernommenen Notfalldienstes übernommen. Die im Rahmen des Notdienstes erbrachten ärztlichen Leistungen rechnete er entweder im Wege der Privatliquidation oder über die KVWL auf der Grundlage der geschlossenen Vereinbarung ab. Von dem jeweils vertretenen Arzt erhielt er für die Notdienstvertretung einen Stundenlohn zwischen 20,- € und 40,- €.
Daneben führte der Kläger in den Streitjahren für die Polizeibehörde Blutentnahmen durch. Hierbei fertigte er jeweils gemäß einem Muster einen einseitigen ärztlichen Bericht. Die Blutentnahmen rechnete der Kläger gegenüber der Landeskasse ab. Die Höhe der Vergütung hing dabei u.a. davon ab, zu welchem Zeitpunkt und wie viele Blutentnahmen durchgeführt wurden. Der Kläger unterwarf sämtliche Zahlungen nicht der Umsatzsteuer.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Ansicht, dass die Vertretung im ärztlichen Notdienst und die Durchführung der Blutentnahmen umsatzsteuerpflichtig seien und erließ entsprechende Steuerbescheide. Hiergegen wandte sich der Kläger nach einem erfolglosem Einspruchsverfahren unter Hinweis darauf, dass es sich jeweils um steuerfreie Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 a) Satz 1 UStG handele.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.
Die Gründe:
Der Kläger kann eine weitergehende Behandlung der von ihm erbrachten Umsätze als steuerfrei nicht beanspruchen. Die von ihm vereinnahmten Gelder für die Vertretung im ärztlichen Notdienst standen nicht im Zusammenhang mit einer nach § 4 Nr. 14 a) UStG steuerfreien Heilbehandlung, sondern waren steuerpflichtig.
Die vom Kläger gegenüber den vertretenen Ärzten erbrachten sonstigen Leistungen waren darauf gerichtet, die Ärzte von sämtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem übernommenen Dienst einschließlich der Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Notfalldienstes freizustellen. Nur hierfür leisteten die vertretenen Ärzte das Entgelt an den Kläger und nicht für die vom Kläger im ärztlichen Notdienst ausgeübten Tätigkeiten oder zur Weiterleitung einer selbst bereits erhaltenen Vergütung. Diese Vertretungsleistungen waren nicht nach § 4 Nr. 14 a) Satz 1 UStG steuerfrei. Eine einheitliche Leistung aus der Vertretungsleistung und den im Notdienst ausgeführten, steuerfreien Heilbehandlungsleistungen konnte nicht angenommen werden. Die Vertretungsleistung selbst stellte keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung dar, denn sie diente keinem therapeutischen Zweck. Die Vertretung eines anderen, bereits zum ärztlichen Notfalldienst zugeteilten Arztes fördert den Schutz, die Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit nicht weiter.
Soweit der Kläger demgegenüber darauf hingewiesen hatte, dass der ärztliche Notdienst selbst einem therapeutischen Zweck diene und er im Notdienst steuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbracht habe, folgte hieraus nichts anderes. Zum einen ging es im Streitfall um eine Vertretungsleistung. Zum anderen werden mit dem ärztlichen Notdienst nur die Voraussetzungen geschaffen und die (Personal-)Ressourcen vorgehalten, die für die nachfolgende zeitnahe Erbringung von Heilbehandlungsleistungen erforderlich sind. Dass eine solche zeitnahe Versorgung nur auf Grund des ärztlichen Notdienstes möglich ist, kann allein die Steuerfreiheit nicht begründen. Insbesondere erfasst die Steuerfreiheit - anders als andere Steuerbefreiungen - eng mit der Erbringung von Heilbehandlungsleistungen verbundene Leistungen nicht.
Auch die Entnahme von Blutproben für die Polizeibehörde stellte keine steuerfreie Heilbehandlungsleistung dar. Leistungen, die vornehmlich anderen Zwecken als dem Schutz, der Aufrechterhaltung oder der Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dienen, sind nicht steuerfrei. So lag es aber bei den Blutentnahmen, die auf polizeiliche Anordnung im Zusammenhang mit einem strafrechtlich oder öffentlich-rechtlich geführten Verfahren erfolgt waren. Im Vordergrund stand dabei die Beweiserhebung und die Erstattung eines Gutachtens, nicht aber der Schutz der menschlichen Gesundheit. Das Entgelt hat sich deshalb insbesondere nach dem Ort, der Uhrzeit und der Anzahl der Blutentnahmen bei einer einzelnen Person gerichtet.
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