05.11.2018

Entschädigung wegen Erwerbsunfähigkeit bei Arbeitslosigkeit

Erhält ein im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses Erwerbsloser vom Schädiger Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen Erwerbsschaden gem. § 842 BGB, kommt es für die Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darauf an, ob mit der Zahlung steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen (sog. Verdienstausfall) oder der Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld (§ 3 Nr. 2 EStG a.F., § 3 Nr. 2 Buchst. a EStG n.F.) oder das Arbeitslosengeld II (§ 3 Nr. 2b EStG a.F., § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG n.F.).

BFH 20.7.2018, IX R 25/17
Der Sachverhalt:

Der 1964 geborene Kläger war seit 1986 nichtselbständig beschäftigt. Nach betriebsbedingter Kündigung schied er zum 31.1.2000 gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Betrieb aus und war seitdem arbeitslos gemeldet. Infolge einer missglückten Operation in 2003 wurde er dauerhaft erwerbsunfähig. Seit Februar/März 2004 bezog er Hartz-IV-Leistungen.

Im Jahr 2009 erklärte sich der Haftpflichtversicherer des Schädigers bereit, zum Ausgleich sämtlicher Schäden insgesamt 490.000 € an den Kläger zu zahlen. Grundlage dafür war dessen Versicherung, keine Leistungen eines Sozialversicherungsträgers zu erhalten. Bereits geleistete Vorschüsse von 50.000 € sollten angerechnet werden. Die Versicherung bemaß den Erwerbsschaden des Klägers für die Vergangenheit mit 60.000 € und für die Zukunft mit 175.000 €. Zur Ermittlung des Verdienstausfallschadens hatte der Kläger der Versicherung die Lohnabrechnungen eines gleich qualifizierten Kollegen zur Verfügung gestellt, der eine vergleichbare Tätigkeit ausführte. Die Versicherung leistete im Einvernehmen mit dem Kläger eine Abschlusszahlung von 440.000 € im August 2009.

Das Finanzamt forderte den Kläger auf Unterlagen vorzulegen, um überprüfen zu können, ob der Kläger auch für Verdienstausfälle entschädigt wurde. Nachdem der Kläger dem nicht nachkam, schätzte das Finanzamt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit 235.000 € und unterwarf sie dem ermäßigten Tarif gem. § 34 Abs. 1 EStG.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:

Erleidet der Steuerpflichtige infolge einer schuldhaften Körperverletzung (§ 823 Abs. 1 i.V.m. §§ 842 ff. BGB) eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit, kommt eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nur im Hinblick auf Zahlungen in Betracht, die zivilrechtlich den Erwerbs- und Fortkommensschaden (§ 842 BGB) ausgleichen sollen. Nur insoweit wird Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen geleistet. Beträge mit denen Ersatz für Arzt- und Heilungskosten oder andere verletzungsbedingte Mehraufwendungen oder Schmerzensgeld geleistet werden soll, fallen dagegen von vornherein nicht unter die Vorschrift.

Bei den Einnahmen, deren Ausfall ersetzt werden soll, muss es sich um steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen handeln; sie müssen (hypothetisch) einer bestimmten Einkunftsart (§ 2 Abs. 2 EStG) unterfallen. Denn § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG schafft keine eigene Einkunftsart. Leistungen, die nicht steuerbare oder steuerfreie Einnahmen ersetzen sollen, sind (auch) nicht nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar. Kommen mehrere Einkunftsarten in Betracht oder kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entschädigung auch als Ersatz für entgangene nicht steuerbare oder steuerfreie Einnahmen gewährt worden sein könnte, ist die Vorschrift nicht anwendbar. Erhält ein im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses Erwerbsloser vom Schädiger Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen Erwerbsschaden gem. § 842 BGB, kommt es für die Anwendung von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darauf an, ob mit der Zahlung steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen (sog. Verdienstausfall) oder der Wegfall des Anspruchs auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld oder das Arbeitslosengeld II.

Nur dann, wenn der Schädiger Ersatz für erlittenen Verdienstausfall leistet, weil er davon ausgeht, dass der Geschädigte bei ungestörtem Verlauf (alsbald) wieder eine Anstellung gefunden hätte, unterfällt die Zahlung § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart in Betracht kommt. Dabei kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, wie wahrscheinlich die Erzielung der (weggefallenen) Einnahmen bei objektiver Betrachtung war. Maßgeblich ist, dass der Schädiger sie als hinreichend wahrscheinlich erachtet und deshalb Ersatz für zukünftigen Verdienstausfall geleistet hat. Beruht die Leistung auf einer Vereinbarung, muss im Zweifel durch Auslegung unter Berücksichtigung der Umstände, die zum Zustandekommen der Vereinbarung geführt haben, ermittelt werden, ob der Schädiger den zukünftigen Verdienstausfall oder nur den Schaden ersetzen wollte, der darin besteht, dass der Anspruch auf steuerfreie Sozialleistungen weggefallen ist.

Vorliegend hat das FG ohne hinreichende tatsächliche Grundlage angenommen, dass der Kläger für Verdienstausfall entschädigt worden ist. Dazu genügt es nicht, dass die Versicherung die Leistung als "Verdienstausfallschaden" bezeichnet hat. Maßgeblich ist allein der Zweck der Leistung. Das FG hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Versicherung die vom Kläger geltend gemachten, sich auf sein damaliges Arbeitsverhältnis beziehenden Umstände auch tatsächlich berücksichtigt hat. Das FG hat auch nicht beachtet, dass im Streitfall die Versicherungsleistung der Höhe nach eher am Grundbedarf orientiert zu sein scheint als an einem Verdienstausfall. Im zweiten Rechtsgang wird das FG auch der Frage nachzugehen haben, bis wann der Kläger Sozialleistungen bezogen hat und auf welcher rechtlichen Grundlage er gleichwohl in der Lage war, die Vereinbarung mit der Versicherung im eigenen Namen abzuschließen.

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