Entwicklungshilfe: Auslegung des DBA Tunesien Art. 19 Abs. 3
Hessisches FG 25.4.2018, 9 K 24/18Die Klägerin beschäftigt den Arbeitnehmer A. als sog. Auslandsmitarbeiter für die Entwicklungshilfe in Tunesien. Dieser hat dort seinen Wohnsitz und ist in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig. Der A. war im Streitjahr 2016 u.a. für ein Projekte B. in Tunesien tätig, das zu 100 % vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wurde. Die hierauf aufgewandte Arbeitszeit betrug 24,83 %. Ein anderes Projekt C. wurde zu 51,29 % aus deutschen öffentlichen Mitteln finanziert und zu 48,71 % aus Mitteln der EU (sog. kombifinanziertes Projekt). Die Arbeitszeit für dieses Projekt betrug 75,16 %.
Das Finanzamt erließ im Dezember 2017 gegenüber der Klägerin einen Haftungsbescheid. Die Inanspruchnahme wurde damit begründet, dass diese Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt habe und gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler bei einer größeren Zahl von Arbeitnehmern gemacht worden seien. In einer Anlage zum Haftungsbescheid führt die Behörde aus, dass der Arbeitnehmer als beschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte gem. § 49 Abs. 4 Nr. 2b EStG erziele. Wegen des Auslandsbezugs komme das DBA Tunesien zur Anwendung. Dieses enthalte eine sog. erweiterte Kassenstaatsklausel (Entwicklungshelferklausel). Nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 DBA Tunesien müsse die geleistete Vergütung ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden, d.h. aus Mitteln des Bundes, der Länder oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Entscheidend sei die Quelle der Vergütung, nicht die Zahlstelle.
Die Klägerin hielt die vom Finanzamt vorgenommene Auslegung von Art. 19 Abs. 3 DBA Tunesien (EZ-Klausel) für rechtsfehlerhaft. Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat rechtsfehlerhaft die gemäß dem deutschen Finanzierungsanteil i.H.v. 51,29 % anteiligen Einkünfte des Arbeitnehmers der Klägerin aus dem Projekt C. der deutschen Besteuerung unterworfen. Einkünfte aus dem Projekt unterliegen, anders als die Einkünfte aus dem zu 100 % aus deutschen öffentlichen Mitteln finanzierten Projekt in Tunesien, nicht der deutschen Einkommensbesteuerung.
Der BFH hat im Urteil vom 7.7.2015 (Az.: I R 42/13) die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen, wie sich das Besteuerungsrecht bei sog. Mischfinanzierungen, somit teilweiser Finanzierung aus deutschen öffentlichen Mitteln, teilweiser anderweitiger Finanzierung, darstellt ("horizontale Aufteilung"). Die Beteiligten in vorliegenden Verfahren legten die Ausführungen des BFH hierzu gegenteilig aus. Der Senat vermochte angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 19 Abs. 3 DBA Tunesien (ausschließliche Bereitstellung der Mittel) der Rechtsauffassung des Finanzamtes, der Norm komme nur klarstellende Bedeutung dahingehend zu, dass sämtliche öffentlich finanzierte Vergütungsteile zu besteuern seien, nicht zu folgen.
Gerade bei der vorzunehmenden projektbezogenen Betrachtungsweise muss sich die ausschließliche deutsche Finanzierung notwendigerweise auch auf das jeweilige Einzelprojekt beziehen. Im Übrigen - so der BFH zutreffend im Urteil vom 7.7.2015 - würde die Klausel vollends leerlaufen. Der Senat versteht dies i.d.S, dass die Einkünfte im Rahmen eines mischfinanzierten Projekts insgesamt nicht der deutschen Besteuerung unterliegen. Im Übrigen wäre im Abkommenstext nicht der Begriff "ausschließlich", sondern etwa "insoweit" oder "soweit" zu erwarten gewesen.
Auch das steuerrechtliche Schrifttum spricht sich bei Mischfinanzierungen gegen ein Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des deutschen Anteils aus. Abgesehen von den im vorbezeichneten BFH-Urteil genannten DBA-Kommentierungen sprechen sich auch Bublitz (IStR 2007, 77 und IStR 2014, 140), Danz (ISR 2014, 16), Lieber (Urteilsanmerkung BFH I R 42/13, jurisPR-SteuerR 2/2016 Anm. 2) und Burmeister in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Ghana Art. 19 Tz 7) angesichts des eindeutigen Wortlauts gegen ein Besteuerungsrecht Deutschlands in diesen Fällen aus. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies im Ergebnis, dass Deutschland für das mischfinanzierte Projekt kein Besteuerungsrecht zusteht, sondern gem. Art. 15 Abs. 1 DBA dem Land Tunesien. Der Haftungsbescheid war daher aufzuheben und der Klage stattzugeben.
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