Erbengemeinschaft kann selbständiger Rechtsträger in der Grunderwerbsteuer sein
BFH 12.2.2014, II R 46/12Die Klägerin ist eine aus zwei Miterben bestehende ungeteilte Erbengemeinschaft. Der verstorbene Erblasser war im Zeitpunkt seines Todes, im August 2007, mit 85 % an einer GmbH beteiligt. Zum Gesellschaftsvermögen gehört umfangreicher Grundbesitz. Später erwarb die Erbengemeinschaft im Zuge verschiedener gesellschaftsrechtlicher Vorgänge alle Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft. So etwa durch den Beschluss über eine Kapitalerhöhung. Darin vereinbarten die Gesellschafter ausdrücklich, dass die bisherigen Gesellschafter in demselben Umfang, in dem sie bislang an der Gesellschaft beteiligt waren, an der Kapitalerhöhung teilnehmen durften.
Das Finanzamt setzte gegenüber einer Miterbin als Testamentsvollstreckerin für die Klägerin Grunderwerbsteuer i.H.v. 226.500 € fest. Hiergegen wandte sich die Klägerin. Sie war der Ansicht, für die Frage, wer Erwerber i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei, müsse darauf abgestellt werden, wer in bürgerlich-rechtlichem Sinne Rechtsträger der Anteile sei. Nach dem Tod des Erblassers habe nicht die Klägerin als Erbengemeinschaft die Anteile geerbt, sondern die einzelnen Erben. Eine Erbengemeinschaft sei keine durch einen gemeinsamen Zweck verbundene, sondern eine auf Auflösung gerichtete Gemeinschaft.
Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH sowohl die Vorentscheidung als auch die Grunderwerbsteuerbescheide auf.
Die Gründe:
Zunächst einmal hatte das FG zutreffend angenommen, dass die Klägerin als Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein konnte. Zwar ging es im vorliegenden Fall nicht um den Erwerb eines Grundstücks, sondern um die Erfüllung eines der im Grunderwerbsteuerrecht gesondert geregelten Ersatztatbestände. § 1 Abs. 3 GrEStG erfasst Rechtsvorgänge auf gesellschaftsrechtlicher Ebene, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach dem Erwerb eines Grundstücks gleichstehen.
Mit dem Erwerb von mind. 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft wird deren Inhaber so behandelt, als habe er die zum Vermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke von der Gesellschaft selbst erworben. Erlangt nun eine Erbengemeinschaft insgesamt mehr als 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich ebenso behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Dies kann etwa dadurch geschehen, dass die Beteiligung der Erbengemeinschaft an einer grundbesitzenden Gesellschaft durch Hinzuerwerb weiterer Anteile oder durch eine Kapitalerhöhung auf 95 % oder mehr der Anteile dieser Gesellschaft erhöht wird. Auf die einzelnen Erbanteile der Miterben ist dagegen nicht abzustellen, weil die Erbengemeinschaft als einheitlicher Rechtsträger anzusehen ist.
Da der gegen die Erbengemeinschaft ergangene Steuerbescheid die tatbestandserfüllenden Umstände jedoch nicht genau erfasst hatte, führte die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide. Der Beschluss über die Kapitalerhöhung begründete für sich genommen noch keinen Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen, aufgrund dessen mindestens 95 % in der Hand der Klägerin vereinigt waren. Die Gesellschafter hatten hierin ausdrücklich vereinbart, dass die bisherigen Gesellschafter in demselben Umfang, in dem sie bislang an der Gesellschaft beteiligt waren, an der Kapitalerhöhung teilnehmen durften. Durch den Beschluss hatte die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Beteiligung als die bis dahin gehaltenen 85 % der Anteile erlangt.
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