07.04.2022

Erbfall nach italienischem Recht

Erwirbt ein inländischer Erbe nach italienischem Erbrecht, entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben.

Kurzbesprechung
BFH v. 17. 11. 2021 - II R 39/19

ErbStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 2 Abs 1 Nr.1, § 3 Abs 1 Nr. 1, § 9 Abs 1 Nr. 1 Buchst a
BGB § 158, § 159, § 1922, § 1937, § 1941, § 1942, § 1952, § 1953
CC ITA Art 456, Art 457, Art 459
AO § 175 Abs 1 S 1 Nr. 2


Die Steuerpflichtige besitzt ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit. Am 24.08.2015 verstarb ihr Vater, ein italienischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Italien und dort belegenem Nachlass. Die Steuerpflichtige, die zu jenem Zeitpunkt noch in der Bundesrepublik Deutschland lebte, war aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu 1/3 als Miterbin berufen. Sie informierte im November 2015 das FA über den Sachverhalt, aber auch darüber, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das italienische Recht für einen Erwerb erfordere.

Im September 2016 teilte die Steuerpflichtige mit, sie habe ihren Wohnsitz Anfang Juli 2016 in Deutschland aufgegeben und sei nach E verzogen. Danach habe sie in drei Teilakten am 19., 26. und 29.07.2016 in Italien die Annahme der Erbschaft erklärt. Auf Aufforderung des FA gab sie zwar eine Erbschaftsteuererklärung ab, verwahrte sich aber gegen die deutsche Besteuerung. Das FA setzte jedoch Erbschaftsteuer fest, weil die Steuer bereits am 24.08.2015 und damit zu einem Zeitpunkt entstanden sei, an dem die Steuerpflichtige einen inländischen Wohnsitz gehabt hätte.

So entschied auch der BFH und wies die gegen das klageabweisende Urteil des FG eingelegte Revision zurück. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall i.S. von § 1922 BGB.

Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Der Erbfall kann auf gesetzlicher (§§ 1924 bis 1936 BGB) oder gewillkürter Erbfolge (§ 1937 BGB) beruhen. Nach § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Der durch Ausschlagung bewirkte Anfall an den Nächstberufenen gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 BGB).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht) in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG ein, wenn u.a. der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers, jedoch für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung.

Vollzieht sich ein Erwerb von Todes wegen nach ausländischem Zivilrecht, kann er im Inland der Erbschaftsteuer unterliegen, soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt. Entsprechen die Institutionen des ausländischen Erbrechts nicht denen des deutschen Erbrechts, ist anhand des deutschen Rechts zu prüfen, ob und welche Bedeutung den ausländischen Rechtsvorgängen bei der deutschen Besteuerung beizulegen ist. Maßgebend ist nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechts. Vielmehr müssen sowohl die Rechtsfolgen als auch das wirtschaftliche Ergebnis dem inländischen Tatbestand entsprechen. Stellt das deutsche bürgerliche Recht für das wirtschaftliche Ergebnis des nach ausländischem Recht verwirklichten Sachverhalts mehrere Strukturen zur Verfügung, greift die mildere Besteuerung.

Für den Erwerb eines Erben nach italienischem Erbrecht entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der Annahme durch den Erben. Der Erbschaftserwerb nach Art. 456 ff. CC ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG steuerbar. Er ist als Erbanfall i.S. des § 1922 BGB zu qualifizieren.

Der Erwerb aufgrund eines ausländischen Erbstatuts kann dem Anfall der Erbschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB entsprechen, wenn nach dem maßgebenden ausländischen Recht der Tod einer Person unmittelbar kraft Gesetzes zu einer Gesamtrechtsnachfolge in ihr Vermögen führt. Bei einem Erbfall nach italienischem Erbrecht tritt mit der Annahme ein Erwerb durch Erbanfall i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG ein. Es handelt sich um eine vergleichbare Vermögensnachfolge.

Entstehungszeitpunkt der Steuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Tod des Erblassers. Die Annahme der Erbschaft nach italienischem Recht ist nicht als aufschiebende Bedingung entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG i.V.m. § 158 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, sondern als rückwirkendes Ereignis entsprechend § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Erbschaftsannahme nach Art. 459 CC ist der Bedingung rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar. Die Erbschaft wird zwar erst mit der Annahmeerklärung erworben, sie wirkt aber nach Art. 459 Satz 2 CC ex tunc auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurück. Materiell-rechtlich fällt die Erbschaft daher mit dem Zeitpunkt des Erbfalls an und ist damit nach deutschem Recht steuerpflichtig.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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