Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit
BFH 5.4.2017, II R 30/15Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners (A). Das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen wurde im April 2010 eröffnet. A ist Alleinerbe der im Oktober 2010 verstorbenen Erblasserin. Er nahm die Erbschaft im Mai 2012 an. Das Finanzamt setzte im Juni 2012 die Erbschaftsteuer i.H.v. rd. 23.500 € gegen den Kläger als Insolvenzverwalter fest und forderte ihn zur Zahlung auf. Zugleich meldete das Finanzamt die Erbschaftsteuer zur Insolvenztabelle an.
Der Kläger legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Er begehrte neben dem Abzug eines Freibetrags von 20.000 € die Berücksichtigung weiterer Nachlassverbindlichkeiten. Das Finanzamt erließ im August 2012 einen geänderten Bescheid, in welchem es dem Einspruch im Hinblick auf den begehrten Freibetrag abhalf und die Erbschaftsteuer auf rd. 17.500 € herabsetzte. Der Bescheid erging wegen weiterer Nachlassverbindlichkeiten und Erbfallkosten vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO. Dieser Bescheid wurde dem Kläger als Vertreter des A bekannt gegeben. Die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung verminderte das Finanzamt entsprechend auf 17.500 €.
Im Juli 2014 erließ das Finanzamt einen weiteren Bescheid. Darin setzte es die Erbschaftsteuer unverändert auf 17.500 € fest, erklärte den Bescheid jedoch für endgültig. Dieser Bescheid erging wiederum gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter. Hiergegen richtet sich die Klage des Klägers. Er ist der Ansicht, bei der Erbschaftsteuer handele es sich um eine Insolvenzforderung und nicht um eine Masseverbindlichkeit. Sie dürfe daher nicht gegen ihn als Insolvenzverwalter festgesetzt werden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des FG konnte das Finanzamt die Erbschaftsteuer gegen den Kläger als Insolvenzverwalter festsetzen.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens dürfen Steuerbescheide, die Insolvenzforderungen betreffen, nicht mehr ergehen. Das folgt aus § 251 Abs. 2 S. 1 AO, wonach Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die Insolvenzforderungen sind, nach Insolvenzeröffnung nur nach den Vorschriften der InsO geltend gemacht werden dürfen. Diese Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind zur Insolvenztabelle anzumelden und - im Falle des Bestreitens - durch Insolvenzfeststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO gegenüber dem Insolvenzverwalter festzustellen. Ergeht ein Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist dieser unwirksam. Insolvenzforderungen sind Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und (sonstigen) Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an.
Masseverbindlichkeiten sind Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Die Einordnung einer Forderung als Masseverbindlichkeit dient der ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung und Verteilung der. Dies rechtfertigt die Vorwegbefriedigung der Massegläubiger nach § 53 InsO. Erbt der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung, ist die auf den Erwerb entfallende Erbschaftsteuer als Masseverbindlichkeit gegen den Insolvenzverwalter festzusetzen. Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass zunächst vorläufig in die Insolvenzmasse. Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht nicht dem Insolvenzverwalter, sondern ausschließlich dem Schuldner zu.
Hat der Insolvenzschuldner die Erbschaft ausdrücklich angenommen oder gilt die Erbschaft nach Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen, kann er sie nach § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen; es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein. Ab dann ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) sind aus der Insolvenzmasse zu befriedigen, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird, namentlich durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, §§ 1975 ff. BGB. Die hier vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit. Sie erfüllt alle Voraussetzungen einer Erbfallschuld, denn sie entsteht allein aus Anlass des Erbfalls und ohne Zutun des Erben.
Unerheblich ist, dass die Erbschaftsteuer gegen den Erben persönlich und nicht gegen den Nachlass als solchen festgesetzt wird. Dadurch unterscheidet sich die Erbschaftsteuer nicht von anderen Erbfallschulden wie z.B. Beerdigungskosten, die in der Person des Erben entstehen und die im Falle der Nachlassinsolvenz ebenfalls als Nachlassinsolvenzforderungen geltend zu machen sind. Die Erbschaftsteuer auf Erwerbe des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung ist keine Insolvenzforderung, weil der Grund für ihr Entstehen erst durch den Erbanfall und damit nach Insolvenzeröffnung eingetreten ist. Sie ist vielmehr Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies folgt zwar nicht aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 InsO, denn die Erbschaftsteuer wird nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters ausgelöst. Sie wird jedoch i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 InsO erfordert keine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters. Die Vorschrift kann vielmehr auch eine kraft Gesetzes entstehende Steuerschuld erfassen.
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