Erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der sog. 90-Prozent-Grenze gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG
FG Münster v. 3.6.2019 - 3 V 3697/18Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin erwarb durch Schenkung ihres Vaters alle Anteile an einer GmbH. Auf Anforderung des Antragsgegners stellte das Finanzamt für Zwecke der Schenkungsteuer die verschiedenen Vermögenspositionen der GmbH gesondert und einheitlich fest.
Der Antragsgegner setzte die Schenkungssteuer fest, wobei er den Wert des Erwerbs sowie Vorschenkungen zu Grunde lag und zuvor den Freibetrag nach § 16 ErbStG i.H.v. 400.000 € abzog. Eine Begünstigung nach § 13a ErbStG könne nach der sog. 90-Prozent-Prüfung gem. § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG nicht gewährt werden.
Die Antragstellerin legte Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Sie habe die Gewährung eines Verschonungsabschlags i.H.v. 100% gem. § 13a Abs. 10 ErbStG beantragt, der ihr versagt worden war. Die Prüfung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sei jedoch verfassungswidrig.
Das FG gab dem Antrag statt.
Die Gründe:
Die Vollziehung des Schenkungsteuerbescheids wird ausgesetzt.
Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen vertretbare Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S.d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken.
Auch verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zu Grunde liegenden Norm können ernstliche Zweifel darstellen. Allerdings ist bei der Annahme verfassungsrechtlicher Zweifel weiter Voraussetzung, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt.
Ein solcher ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids liegt hier vor. Die gesetzliche Regelung des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG führt zu einem wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Ergebnis, wie die Antragstellerin unter Hinweis auf zahlreiche Literaturstimmen anführte. Insofern ist auch zweifelhaft, ob dieses Ergebnis durch den Gesetzeszweck, der darin besteht, Missbrauch zu verhindern gedeckt wird.
Es bleibt dem Hauptsacheverfahren die Entscheidung der Frage vorbehalten, ob eine Auslegung von § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG erfolgen muss. Damit kann dahinstehen, ob im Streitfall gegebenenfalls auch verfassungsrechtliche Zweifel bestehen und ob insoweit ein besonderes Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegeben ist.
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