01.03.2018

Erhöhte Absetzungen nach § 7h EStG für Eigentumswohnung

Die Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung nach § 7h EStG und Grundlagenbescheid. Sie ist objektbezogen auszustellen. Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG genannten Tatbestandsmerkmale. Der Regelungsinhalt der Bescheinigung ist im Wege der Auslegung unter ergänzender Heranziehung der Auslegungsregeln des BGB zu ermitteln.

BFH 10.10.2017, X R 6/16
Der Sachverhalt:
Die Kläger erwarben im April 2009 eine Eigentumswohnung nebst PKW-Stellplatz. Die Wohnung war Teil eines umfassenden Modernisierungs- und Neubauprojekts einer GmbH, die als Bauträgerin auf dem Gelände insgesamt 91 Wohneinheiten in mehreren Gebäuden unterschiedlichen Charakters erstellt hatte. Teilweise sanierte sie die auf dem Grundstück befindliche denkmalgeschützte Altbausubstanz. Zudem errichtete sie neue Wohnungen sowie die PKW-Stellplatzanlage. Die Wohnung der Steuerpflichtigen wurde als Penthouse auf die vorhandene Altbausubstanz neu aufgebaut. Das zu der Wohnung gehörende Gemeinschaftseigentum gehörte zur Altbausubstanz.

In 2010 erließ das Bezirksamt gegenüber den Steuerpflichtigen für deren Wohnung eine Bescheinigung gem. § 7h bzw. § 10f EStG, der eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war. Darin wurde bestätigt, dass die Anlage in einem durch Rechtsverordnung förmlich festgelegten Sanierungsgebiet belegen sei. An dem Gebäude seien durchgeführt worden

  • Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 177 des Baugesetzbuches (BauGB)
  • Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB
  • Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes dienten, das wegen seiner städtebaulichen sowie geschichtlichen Bedeutung erhaltenswert sei.

Für jede Einheit würden zwei Bescheide ausgefertigt. Der vorliegende Bescheid beziehe sich einzig auf die Leistungen, die dem Objekt konkret zugeordnet werden könnten und beträfe anteilig die begünstigte Einheit. Ein noch zu erteilender zweiter Bescheid werde sämtliche Maßnahmen außerhalb des betreffenden Gebäudes enthalten, die nach der Systematik des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) noch zuzuordnen seien.

Die anteilig durchgeführten Modernisierungsaufwendungen im Gebäude hätten zu nachgewiesenen begünstigten Bruttobauaufwendungen i.S.d. § 7h bzw. § 10f EStG i.H.v. 32.366 € geführt. Die Bescheinigung enthält die Aussage, dass die begünstigte Wohnung durch den Aufbau eines Penthouses entstanden ist. Da mit dem Neubau von Wohnungen im steuerrechtlichen Sinne regelmäßig neu geschaffene Wirtschaftsgüter entstehen, sind diese nach § 7h EStG grundsätzlich nicht begünstigt. Die Prüfung, ob ein selbstständiges Wirtschaftsgut entstanden ist, obliege letztendlich aber den Finanzbehörden.

Die Bescheidbehörde hat ferner die Feststellung getroffen, dass anteilig auf die betreffende Penthouse-WE im zugehörigen Gemeinschaftseigentum Maßnahmen angefallen sind, die von der Leistung her begünstigt wären. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass der Bescheid ein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO ist und zur Einreichung beim zuständigen Finanzamt dient. Erst durch die Finanzbehörden werde mit Hilfe der hier festgestellten und bescheinigten Angaben der Abzugsbetrag nach § 7h bzw. § 10f EStG ermittelt und im Steuerverfahren berücksichtigt. Letztlich prüfe die Finanzbehörde weitere steuerrechtliche Voraussetzungen, insbesondere die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben und die Zugehörigkeit der Aufwendungen zu den Anschaffungskosten i.S.d. § 7h Abs. 1 S. 3 EStG oder den Herstellungskosten, zu den Werbungskosten, insbesondere zum Erhaltungsaufwand, oder zu den nicht abziehbaren Kosten.

In einem zweiten Bescheid bescheinigte das Bezirksamt, die anteilig durchgeführten Baumaßnahmen hätten zu nachgewiesenen begünstigten Bruttobauaufwendungen auf Bauträgerebene i.S.d. § 7h EStG bzw. § 10f EStG i.H.v. 23.522 € geführt. Die betreffenden Maßnahmen seien 2011 fertig gestellt worden.

Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung gem. § 180 Abs. 2 AO i.V.m. der VO zu § 180 Abs. 2 AO und §§ 7h, 10f EStG für 2008 bis 2011 kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die Sanierungsarbeiten zu einem neuen Wirtschaftsgut geführt hätten. Eine Bemessungsgrundlage für §§ 7h, 10f EStG wurde nicht festgestellt. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Aufwendungen der Kläger seien nicht begünstigt, da es sich um Anschaffungskosten für einen Neubau handele. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Die Bemessungsgrundlage für die Begünstigungen nach §§ 7h, 10f EStG ist dem Antrag entsprechend auf 55.888 €, die Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 7 EStG auf 577.349 € festzustellen. Die Bescheinigungen des Bezirksamts entfalten für die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG Bindungswirkung.

Die Bescheinigung ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung des § 7h EStG und Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO. Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale, nämlich auf die Feststellung, ob das Gebäude in einem Sanierungsgebiet belegen ist, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB bzw. Maßnahmen i.S.d. § 7h Abs. 1 S. 2 EStG durchgeführt und ob Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsfördermitteln gewährt worden sind. Allein die Gemeinde prüft, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB durchgeführt wurden, und entscheidet nach Maßgabe des BauGB, wie die Begriffe "Modernisierung" und "Instandsetzung" zu verstehen sind und ob darunter auch ein Neubau in bautechnischem Sinne zu subsumieren ist.

Wie weit die Bindungswirkung der Bescheinigung im Einzelfall reicht, hängt vom jeweiligen konkreten Inhalt der Bescheinigung ab. Ihr Regelungsinhalt ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung unter ergänzender Heranziehung der Vorschriften des BGB zu ermitteln. Das bedeutet, dass empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen sind, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände verstehen muss (Empfängerhorizont). Es ist daher auch zu berücksichtigen, welche behördliche Entscheidung der Betroffene nach seinem Empfängerhorizont in Kenntnis des in seiner Wissenssphäre verwirklichten Sachverhalts billigerweise erwarten durfte. Die Auslegung obliegt ggf. dem Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit.

Hat die Bescheinigungsbehörde (hier: Bezirksamt) eine bindende Entscheidung über eine der in § 7h Abs. 1 EStG genannten Voraussetzungen getroffen, hat das Finanzamt diese im Besteuerungsverfahren ohne weitere Rechtmäßigkeitsprüfung zugrunde zu legen, es sei denn, sie wäre nach § 125 AO nichtig und deshalb unwirksam. Hat die Behörde über eine der Voraussetzungen des § 7h Abs.1 EStG keine bindende oder keine Entscheidung getroffen, führt dies nicht zu einem Heimfall der Prüfungsbefugnis an die Behörde, sondern bedeutet lediglich, dass die in § 7h Abs. 2 EStG geforderte Bescheinigung nicht vorliegt. Hat die Bescheinigungsbehörde sich umgekehrt zu Fragen geäußert, die nicht in ihre Zuständigkeit gehören, sind derartige Aussagen insoweit nicht bindend.

Unschädlich ist, wenn Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. § 177 BauGB ausschließlich im Gemeinschaftseigentum, nicht jedoch im Sondereigentum angefallen sind. Dasselbe gilt umgekehrt. Dieser Wertung steht nicht schon entgegen, dass Maßnahmen i.S.d. § 7h EStG sich bereits nach dem Wortlaut des Abs. 1 S. 1 auf ein im Inland belegenes "Gebäude" beziehen müssen. Das setzt gedanklich ein bereits bestehendes Gebäude - im Gegensatz zu einem vollständigen Neubau - voraus. Da dies wegen der Verweisung in § 7h Abs. 3 EStG für Eigentumswohnungen entsprechend gilt, wird also bei Eigentumswohnungen gedanklich ein bereits bestehendes Objekt "Eigentumswohnung" - im Gegensatz zu einem vollständigen Neubau - vorausgesetzt. Selbst in Fällen aber, in denen innerhalb eines bestehenden Gebäudes oder sogar - wie hier - auf einem bestehenden Gebäude Wohnraum neu geschaffen und dabei Wohnungseigentum nach dem WEG begründet wird, können Maßnahmen sich i.S.d. Vorschrift auf ein solches bereits bestehendes Objekt "Eigentumswohnung" beziehen, wenn sie dem Grunde nach den Maßgaben des § 7h Abs. 1 S. 1, 2 EStG entsprechen, also insbesondere keine Neubaukosten sind.

Es ist aber auch unschädlich, wenn im Zuge der Baumaßnahmen neuer Wohnraum geschaffen wird. Das gilt selbst dann, wenn - wie hier - der gesamte dem Objekt "Eigentumswohnung" zugeordnete Wohnraum zuvor als Wohnraum nicht vorhanden war. Zur Beurteilung der Frage, ob ein Objekt bereits vorhanden war, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Es reicht aus, wenn das Objekt im Kern bereits vorhanden war. Das Wohnungseigentum aber ist nach § 1 Abs. 2 WEG das Sondereigentum an einer Wohnung i.V.m. dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Das bedeutet, dass untrennbarer Bestandteil eines Objekts "Eigentumswohnung" auch das anteilige Gemeinschaftseigentum ist. War dieses ganz oder teilweise bereits vorhanden, war folglich auch das Objekt "Eigentumswohnung" im Kern bereits vorhanden und nach Maßgabe von § 7h Abs. 1 S. 1, 2 EStG der Begünstigung zugänglich. Das gilt unabhängig von der Frage, in welchem Umfang darüber hinaus nicht begünstigte Maßnahmen im Gemeinschaftseigentum oder im Sondereigentum vorgenommen wurden. Es verhält sich insoweit nicht anders als bei ungeteilten Gebäuden, bei denen neu errichtete Anbauten, auch ggf. unter Schaffung neuen Wohnraums, an der grundsätzlichen Begünstigungsfähigkeit der Maßnahmen im Altbau ebenfalls nichts ändern. Auch derartige Gebäude waren bereits vorhanden, selbst wenn sie erweitert werden.

Der Zweck des Gesetzes gebietet es nicht, im Fall von Eigentumswohnungen Aufwendungen, die dem Grunde nach begünstigt sind, von der Begünstigung auszunehmen, weil andere Aufwendungen auf die Eigentumswohnung (hier die Baumaßnahmen im Sondereigentum) nicht begünstigt sind. Denn es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, die steuerliche Behandlung einer bestimmten Baumaßnahme davon abhängig zu machen, ob weitere Aufwendungen des Erwerbers begünstigt sind oder nicht. Ein solches Junktim wäre nur geboten, wenn die Aufwendungen aus anderen sachlichen oder rechtlichen Gründen stets einheitlich behandelt werden müssten. Gerade das ist aber im Rahmen von § 7h EStG nicht der Fall.

Im vorliegenden Fall lagen bindende Bescheinigungen im o.g. Sinne vor, mit denen festgestellt wurde, dass an der in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet belegenen Eigentumswohnung in dem dort bezeichneten Umfang Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S.d. §177 BauGB nach dem Erwerb durchgeführt worden waren. Die Maßnahmen erfüllten die entscheidenden Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG und waren deshalb begünstigt.

Linkhinweis:

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