Erlass einer Rückforderung von Kindergeld aus Billigkeitsgründen
FG Düsseldorf 2.1.2017, 7 K 2829/15 Kg,AOIm November 2012 hob die beklagte Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für das im September 1989 geborene Kind (K) der Klägerin ab Januar 2011 auf und forderte das Kindergeld für den Zeitraum von Januar 2011 bis Juli 2012 i.H.v. rd. 3.500 € zurück. Hintergrund war, dass K Ende des Jahres 2010 die Schule abgebrochen hatte. Die Klägerin konnte nicht belegen, dass trotz abgebrochener Schulausbildung die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG im Streitzeitraum vorgelegen hatten. Die Klägerin hat keine Klage erhoben, so dass der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid bestandskräftig geworden ist.
Im September 2013 beantragte die Klägerin den Erlass des zurückgeforderten Kindergeldes aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO. Sie begründete diesen Antrag damit, dass sie andernfalls einen Betrag zurückzahlen müsse, den sie bereits durch Kürzung der damals erhaltenen Leistungen nach dem SGB II aufgebracht habe. Ferner beziehe sie inzwischen nur eine Erwerbsunfähigkeitsrente, von der sie gerade ihren Lebensunterhalt bestreiten könne. Mit Billigkeitserlass erließ die Familienkasse die Kindergeldrückforderung i.H.v. 2.772 € einschließlich aufgelaufener Säumniszuschläge. Einen darüber hinausgehenden Erlass der Restforderung i.H.v. 724 € zzgl. Säumniszuschläge lehnte die Familienkasse ab. Der wirtschaftlichen Lage der Klägerin könne ggf. durch eine Stundung Rechnung getragen werden.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Familienkasse hat einen weitergehenden Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen ermessensfehlerfrei abgelehnt.
Aus sachlichen Gründen kann ein Steuererlass gewährt werden, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist, wenn also der Sachverhalt zwar den gesetzlichen Tatbestand erfüllt, die Besteuerung aber den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Hier sieht die Klägerin diesen Tatbestand dadurch als verwirklicht an, dass sie im Zeitraum des Kindergeldbezuges Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung des Kindergeldes erhalten hat und eine nachträgliche Anpassung der Sozialleistungen nach dem SGB II im Falle einer Rückforderung des Kindergeldes regelmäßig von der Sozialbehörde versagt werde. Hierdurch werde die Klägerin insgesamt schlechter gestellt, als sie stünde, wenn sie von vorneherein allein die Leistungen nach dem SGB II erhalten hätte.
Der BFH hat in derartigen Fällen regelmäßig im Rahmen von obiter dicta einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen in den Raum gestellt. Die Familienkasse hat hier einen Erlass insoweit abgelehnt, als dass eine Anrechnung des Kindergeldes auf die Sozialleistungen nicht erfolgt ist. Eine Anrechnung des Kindergeldes i.H.v. mtl. 184 € ist in der Zeit von Januar 2011 bis Juni 2012 nur abzgl. der Versicherungspauschale i.H.v. mtl. 30 €, also i.H.v. 154 € erfolgt. Für den Gesamtzeitraum von 18 Monaten ergibt sich mithin eine Summe des angerechneten Kindergeldes i.H.v. 2.772 €. In Höhe der Versicherungspauschale von 540 € ist hingegen keine Anrechnung erfolgt. Im Monat Juli 2012 hat die Klägerin anstelle der Sozialleistungen nach dem SGB II bereits ihre Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen, so dass in diesem Monat überhaupt keine Anrechnung des Kindergeldes erfolgt ist.
Die Ermessensentscheidung der Familienkasse, nur den auf die Sozialleistungen nach dem SGB II angerechneten Teil des Kindergeldes zu erlassen, ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Sinn und Zweck eines Erlasses aus Billigkeitsgründen in Fällen wie dem vorliegenden ist es, die Klägerin insgesamt nicht schlechter zu stellen, als wenn sie von vorne herein (nur) die materiell richtige Sozialleistung nach dem SGB II erhalten hätte. Ein Erlass des Kindergeldes über die auf die Sozialleistungen angerechneten Beträge hinaus würde aber dazu führen, dass die Klägerin insoweit wirtschaftlich besser gestellt würde, als dies beim alleinigen und rechtlich zutreffenden Bezug der Sozialleistungen nach dem SGB II der Fall gewesen wäre.
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