24.04.2018

Ermäßigter Steuersatz für Bindung selbst gefertigter Bilder durch einen Fotografen zu einem Fotobuch?

Die Leistungen eines Fotografen fallen auch dann nicht unter § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2 lfd. Nr. 49, wenn er die Bilder mittels Klemmlasche zu einem "Fotobuch" bindet. Dies gilt auch für Zeiträume vor dem 1.1.2017 - etwas anderes folgt weder aus dem BMF-Schreiben vom 20.4.2016 (BStBl. I 2016, 483), noch aus einem - teilweise - abweichenden Verwaltungshandeln.

Schleswig-Holsteinisches FG 2.2.2018, 4 V 150/17
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist Fotografin. In den Streitjahren 2010 und 2011 hatten die Vertragspartner der Antragstellerin ihre Kunden zu Fotoshootings in eine ihrer Filialen eingeladen. Das Team der Antragstellerin kam mit entsprechender Ausrüstung zu dazu; es frisierte, schminkte und fotografierte die Kunden vor verschiedenen Kulissen und mit unterschiedlicher Beleuchtung. Anschließend wurden die Bilder gemeinsam angeschaut, und die Kunden konnten sich Bilder aussuchen, die sofort vor Ort ausgedruckt wurden. Die Fotos wurden sodann als Einzelbild oder als "Fotobuch" (mit einer Klemmlasche verbundene, jederzeit herausnehmbare Bilder) und/oder in Dateiform an die Kunden gegen Entgelt übergeben.

Die Tätigkeit der Antragstellerin richtete sich dabei an die Endverbraucher. Die Leistungen beschränkten sich nicht auf die Lieferung eines Gegenstandes, sondern beinhalteten verschiedene Elemente des Dienstvertrages und des Rechts- bzw. Sachkaufs, soweit Urheberrechte mitübertragen wurden. Mit dem Finanzamt stritt die Antragstellerin darum, ob die von ihr in Summe erbrachten Leistungsbestandteile als einheitliche sonstige Leistung sui generis (§ 3 Abs. 9 UStG) oder als eine Lieferung gem. § 3 Abs. 1 UStG darstellten. Letzteres hätte zu einem ermäßigten Steuersatz i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG geführt, wovon die Antragstellerin ausging. Das Finanzamt veranlagte die Antragstellerin in den Umsatzsteuerbescheiden 2010 und 2011 dennoch nach dem Regelsteuersatz gem. § 12 Abs. 1 UStG.

Das FG wies den hiergegen gerichteten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Die Beschwerde wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Die Voraussetzungen für eine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz lagen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor. Insbesondere erbrachte die Antragstellerin bei summarischer Prüfung keine Leistungen i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Dies gilt auch für Zeiträume vor dem 1.1.2017 - etwas anderes folgt weder aus dem BMF-Schreiben vom 20.4.2016 (BStBl. I 2016, 483), noch aus einem - teilweise - abweichenden Verwaltungshandeln.

Die von der Antragstellerin in Summe erbrachten Leistungsbestandteile stellten sich vielmehr als einheitliche sonstige Leistung sui generis und nicht als eine Lieferung dar. Gem. § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen bzw. Dienstleistungen dagegen sind gem. § 3 Abs. 9 S. 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrzahl einzelner Leistungsbestandteile aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht als eine Gesamtleistung zu behandeln ist, gelten folgende Grundsätze:

Jeder Umsatz ist in der Regel als eine eigene, selbstständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbstständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen.

Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung und ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Hauptzweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehrere Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen.

Infolgedessen hat die Antragstellerin gegenüber ihren Kunden mehrere Handlungen vorgenommen und Leistungselemente erbracht, die umsatzsteuerlich als eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 S. 1 UStG anzusehen sind. Der Schwerpunkt dieser einheitlichen Leistung lag dabei nicht in der Lieferung einer Sache (eines Fotobuchs). Vielmehr stellte das einheitliche Leistungsbündel eine Leistung eigener Art dar, in welcher die unterschiedlichen Elemente als unselbständige Bestandteile aufgingen und deren prägender Charakter darin bestand, für den Kunden unter Zuhilfenahme eines mobilen Fotostudios Bilder zu erstellen, ihm eines oder mehrere dieser Bilder zu verschaffen und dadurch die private Nutzung zu ermöglichen.

Linkhinweis:

Landesrechtsprechungsdatenbank Schleswig-Holstein
Zurück