27.07.2023

Ermäßigter Steuersatz für Blut- und Gewebetransporte

1. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG setzt bei Leistungen im Rahmen eines Zweckbetriebs voraus, dass auch die Voraussetzungen des Satzes 3 dieser Vorschrift vorliegen.
2. Der Änderung des Anhangs III Nr. 15 der MwStSystRL durch die Richtlinie (EU) 2022/542 vom 05.04.2022 (ABlEU Nr. L 107, Seite 1) kommt ‑‑als unionsrechtliche Grundlage des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG‑‑ keine Rückwirkung auf Umsätze vor ihrem Inkrafttreten zu.

Kurzbesprechung
BFH v. 5.4.2023 - V R 14/22

AO § 52, § 53, § 64, § 65, § 66
UStG § 12 Abs 2 Nr. 8 Buchst a S 3, § 27 Abs 1 S 1
EGRL 112/2006 Art 98 Abs 1, 112/2006 Art 98 Abs 2, 112/2006 Anh 3 Nr. 15
EURL 2022/542 Art 1 Nr. 23, 2022/542 Anh 1 Nr. 8


Streitig war die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die vom Steuerpflichtigen, einem eingetragene3n Verein, in 2014 bis 2016 (Streitjahre) durchgeführten Blut- und Gewebetransporte.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt sich unter den dort genannten Voraussetzungen die Steuer für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke im Sinne der §§ 51 bis 68 AO verfolgen. Diese Steuersatzermäßigung gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG). Erforderlich ist daher gemäß § 64 Abs. 1 AO, dass es sich um Leistungen handelt, die die Körperschaft im Rahmen eines Zweckbetriebs erbringt. Liegt ein derartiger Zweckbetrieb vor, ist zudem § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zu beachten.

Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt die Steuersatzermäßigung danach nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht.

Im Streitfall hatte das FG die die Steuersatzermäßigung einschränkenden Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zwar genannt, ohne dass jedoch erkennbar wurde, aufgrund welcher Tatsachen und aufgrund welcher rechtlichen Erwägungen sich diese Schlussfolgerung des FG ergeben soll. Der BFH verwies den Streitfall daher an die Vorinstanz zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück. Dabei gab er folgende, vom FG zu beachtende Hinweise:
 
  • Wird die Steuersatzermäßigung für den Zweckbetrieb nach § 66 AO begehrt, ist zunächst zu prüfen, ob der Steuerpflichtige mit den Blut- und Gewebetransporten seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichte (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG).
  • Falls das FG die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG verneinen sollte, wird es weiter zu prüfen haben, ob die streitgegenständlichen Leistungen in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG).
  • Ohne Bindung nach § 126 Abs. 5 FGO weist der BFH vorsorglich zur Anwendung von § 66 AO darauf hin, dass nach den bisherigen Feststellungen des FG die Transportleistungen des Steuerpflichtigen den hilfebedürftigen Personen nicht im Sinne des § 66 Abs. 3 AO "zugute kommen", da sie nicht direkt "an den Patienten" erbracht wurden, sondern Kontakt zu diesen lediglich über die in verschlossenen und verpackten Behältnissen befindlichen Blut- und Gewebeproben bestand.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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