Ermittlungs- und Mitwirkungspflichten bei Arbeitgeberzuschüssen zu Beiträgen an Versorgungswerke
FG Düsseldorf v. 28.1.2020 - 10 K 546/19 E
Der Sachverhalt:
Der steuerlich beratene Kläger ist als Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Nordrhein-Westfalen. Er ist von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Der Kläger ist als angestellter Rechtsanwalt beschäftigt und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem erzielt er im geringen Umfang Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt. Aufgrund seiner Mitgliedschaft im Versorgungswerk erhält der Kläger von seinem Arbeitgeber neben seinem Arbeitslohn auch den Arbeitgeberzuschuss zur Altersvorsorge zweckgebunden ausgezahlt, um diesen mit dem Arbeitnehmeranteil zusammen (also den Gesamtbetrag) als Selbstzahler an das Versorgungswerk zu entrichten.
Das Finanzamt veranlagte den Kläger für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 zunächst ohne weitere Rückfragen antragsgemäß. Später teilte die Behörde dem Kläger mit, dass eine Änderung der Steuerbescheide der Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 beabsichtigt sei. Er forderte den Kläger auf, Nachweise über Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen für die Jahre 2013 bis 2016 einzureichen. Zudem sollte der Kläger einen Nachweis über die Arbeitgeberzuschüsse zu diesen Beiträgen für die Jahre 2012 bis 2014 erbringen.
Der Kläger reichte die geforderten Nachweise ein. Dies nahm das Finanzamt zum Anlass, nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 zu erlassen. In den Erläuterungen zu den jeweiligen Bescheiden begründete es die Änderung damit, dass die Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung um den steuerfreien Arbeitgeberzuschuss gekürzt worden seien. Es handele sich um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache, da dem Finanzamt aus den Steuererklärungen nicht ersichtlich gewesen sei, dass es sich um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gehandelt habe. Die Beiträge seien fälschlicherweise als freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erklärt worden.
der Kläger war der Ansicht, das Finanzamt habe ihn seit dem Jahr 2002 stets basierend auf diesen Eintragungen antragsgemäß veranlagt. Dass es keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen habe, sei unverständlich, da der Behörde zumindest für die Jahre 2010 und 2012 die Bescheinigungen des Versorgungswerks vorgelegen hätten, in der die Höhe der dort insgesamt ausgewiesenen Beiträge der Eintragung in der Kz. 302 entsprochen habe. Aus den Bescheinigungen sei klar und eindeutig ersichtlich, dass es sich um die insgesamt geleisteten Beiträge handele.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Eine Änderung der Steuerfestsetzungen der Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 war rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorlagen. Finanzamt sind Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einer höheren Steuer führen. Die ursprünglichen Bescheide waren materiell-rechtlich unrichtig. Die Grundsätze von Treu und Glauben führen nicht dazu, dass ausnahmsweise von der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzusehen ist. Ob auch die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO erfüllt sind, konnte daher offen bleiben.
Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass die Berufung des Finanzamts auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht als treuwidrig anzusehen ist. Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des Finanzamts deutlich überwiegt.
Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen der Verletzung der Ermittlungspflichten und der Verletzung der Mitwirkungspflichten wog die Verletzung auf Seiten des Finanzamtes jedenfalls nicht deutlich schwerer als die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers, sodass die Grundsätze von Treu und Glauben als ausnahmsweises Änderungsverbot der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstanden.
Maßgebend hierfür war zum einen, dass allein der Kläger - jedenfalls auf einer abstrakten Ebene - über die volle Kenntnis des Sachverhalts verfügte. Er wusste sowohl, dass er ausschließlich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, nicht aber Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung geleistet hatte. Zudem wusste er um die Höhe des Arbeitgeberzuschusses und dass die Eintragungen zum Arbeitgeberzuschuss in den Lohnsteuerbescheinigungen der Veranlagungszeiträume 2015 und 2016 sich auf die Beiträge zum Versorgungswerk bezogen.
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Der steuerlich beratene Kläger ist als Rechtsanwalt zugelassen und Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte Nordrhein-Westfalen. Er ist von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Der Kläger ist als angestellter Rechtsanwalt beschäftigt und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem erzielt er im geringen Umfang Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwalt. Aufgrund seiner Mitgliedschaft im Versorgungswerk erhält der Kläger von seinem Arbeitgeber neben seinem Arbeitslohn auch den Arbeitgeberzuschuss zur Altersvorsorge zweckgebunden ausgezahlt, um diesen mit dem Arbeitnehmeranteil zusammen (also den Gesamtbetrag) als Selbstzahler an das Versorgungswerk zu entrichten.
Das Finanzamt veranlagte den Kläger für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 zunächst ohne weitere Rückfragen antragsgemäß. Später teilte die Behörde dem Kläger mit, dass eine Änderung der Steuerbescheide der Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 beabsichtigt sei. Er forderte den Kläger auf, Nachweise über Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen für die Jahre 2013 bis 2016 einzureichen. Zudem sollte der Kläger einen Nachweis über die Arbeitgeberzuschüsse zu diesen Beiträgen für die Jahre 2012 bis 2014 erbringen.
Der Kläger reichte die geforderten Nachweise ein. Dies nahm das Finanzamt zum Anlass, nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 zu erlassen. In den Erläuterungen zu den jeweiligen Bescheiden begründete es die Änderung damit, dass die Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung um den steuerfreien Arbeitgeberzuschuss gekürzt worden seien. Es handele sich um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache, da dem Finanzamt aus den Steuererklärungen nicht ersichtlich gewesen sei, dass es sich um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gehandelt habe. Die Beiträge seien fälschlicherweise als freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erklärt worden.
der Kläger war der Ansicht, das Finanzamt habe ihn seit dem Jahr 2002 stets basierend auf diesen Eintragungen antragsgemäß veranlagt. Dass es keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen habe, sei unverständlich, da der Behörde zumindest für die Jahre 2010 und 2012 die Bescheinigungen des Versorgungswerks vorgelegen hätten, in der die Höhe der dort insgesamt ausgewiesenen Beiträge der Eintragung in der Kz. 302 entsprochen habe. Aus den Bescheinigungen sei klar und eindeutig ersichtlich, dass es sich um die insgesamt geleisteten Beiträge handele.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Eine Änderung der Steuerfestsetzungen der Veranlagungszeiträume 2012 bis 2016 war rechtmäßig, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorlagen. Finanzamt sind Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einer höheren Steuer führen. Die ursprünglichen Bescheide waren materiell-rechtlich unrichtig. Die Grundsätze von Treu und Glauben führen nicht dazu, dass ausnahmsweise von der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzusehen ist. Ob auch die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO erfüllt sind, konnte daher offen bleiben.
Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass die Berufung des Finanzamts auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht als treuwidrig anzusehen ist. Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des Finanzamts deutlich überwiegt.
Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen der Verletzung der Ermittlungspflichten und der Verletzung der Mitwirkungspflichten wog die Verletzung auf Seiten des Finanzamtes jedenfalls nicht deutlich schwerer als die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers, sodass die Grundsätze von Treu und Glauben als ausnahmsweises Änderungsverbot der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstanden.
Maßgebend hierfür war zum einen, dass allein der Kläger - jedenfalls auf einer abstrakten Ebene - über die volle Kenntnis des Sachverhalts verfügte. Er wusste sowohl, dass er ausschließlich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, nicht aber Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung geleistet hatte. Zudem wusste er um die Höhe des Arbeitgeberzuschusses und dass die Eintragungen zum Arbeitgeberzuschuss in den Lohnsteuerbescheinigungen der Veranlagungszeiträume 2015 und 2016 sich auf die Beiträge zum Versorgungswerk bezogen.