Erstattung von Lohnkirchensteuer an den Arbeitgeber
Kurzbesprechung
BFH v. 23.8.2023 - X R 16/21
AO § 34, § 44, § 69
EStG § 9 Abs 1 S 1, § 10 Abs 1 Nr. 4, § 19 Abs 1 Nr. 1, § 38 Abs 2 S 1, § 42d Abs 1 Nr. 1, § 42d Abs 3 S 1, § 51a Abs 1 S 1
KiStG NW
Werbungskosten sind Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus erfasst der Werbungskostenbegriff alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst werden. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Für den objektiven Zusammenhang mit dem Beruf ist wiederum zum einen die ‑ wertende ‑ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" und zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre maßgeblich.
Anders als im Fall der Haftungsinanspruchnahme eines Arbeitnehmers durch das FA gemäß §§ 69, 34 AO reicht es für einen Abzug der gezahlten Lohnkirchensteuer als Werbungskosten nicht aus, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die aufgrund eines Anspruchs nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB geleistete Haftungssumme erstattet. Denn erstattet der Steuerpflichtige lediglich im Rahmen eines zivilrechtlichen Rückgriffs gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB seinem Arbeitgeber die von diesem gezahlte Lohn(kirchen)steuer, kommt er allein dem im Arbeitsverhältnis begründeten zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitgebers nach und begleicht seine persönliche Steuerschuld.
Ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht in einem solchen Fall nicht schon allein deshalb, weil der Arbeitgeber zur Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen gehört. Vielmehr bleibt der Auslöser für die Zahlung die vorangegangene Begleichung der persönlichen Kirchensteuer des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber.
In dem Fall, dass der vom Arbeitgeber geschuldete Barlohn nicht zur Deckung der Lohnsteuer ausreicht und der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber daher den Fehlbetrag zur Verfügung stellen muss (§ 38 Abs. 4 Satz 1 EStG), erstattet der Steuerpflichtige seinem Arbeitgeber hier die von diesem für ihn bereits abgeführte Lohnkirchensteuer.
Ausgehend von diesen Maßstäben waren im Streitfall die Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Tilgung der Regressforderung des Arbeitgebers (einer GmbH) keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Denn das FA hatte die GmbH ‑ und nicht den Steuerpflichtigen ‑ unter anderem für die Lohnkirchensteuer in Haftung genommen. Die anschließende Erstattung des Steuerpflichtigen an die GmbH beruhte auf § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Der Steuerpflichtige, der gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb Schuldner der Lohnkirchensteuer ist, hat dem Arbeitgeber die auf ihn entfallenden Kirchensteuern erstattet und so für die nötige nachträgliche Deckung gesorgt. Hierzu war er als Gesamtschuldner nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb verpflichtet, soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht (§ 44 Abs. 1 AO).
Der Steuerpflichtige kann jedoch die von ihm an die GmbH gezahlte Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgaben abziehen. Denn für die Berechtigung zum Abzug von Kirchensteuer ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige seine persönliche Kirchensteuer selbst gezahlt hat oder diese im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitgeber einbehalten worden ist. Gleiches gilt aber auch dann, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gezahlte Kirchensteuer erstattet.
Nicht um die Zahlung eines Dritten, sondern um "gezahlte Kirchensteuer" im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG handelt es sich, wenn die Lohnkirchensteuer im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitgeber einbehalten wird. Erstattet ein Steuerpflichtiger dem aufgrund des § 42d Abs. 3 EStG für die Lohnkirchensteuer in Haftung genommenen Arbeitgeber dessen Zahlung, liegt eine vergleichbare Situation vor. Der Arbeitnehmer, den sein Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 3 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb als Gesamtschuldner in Regress nimmt, ist nicht nur wirtschaftlich durch die Zahlung belastet. Er ist hierzu auch gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb im Innenverhältnis als Schuldner der Lohnkirchensteuer weiterhin in voller Höhe rechtlich verpflichtet. Indem der Arbeitgeber die Steuer entrichtet, erfüllt er nicht seine eigene Schuld, sondern zahlt im Vorgriff auf eine (Nach-)Erhebung der Lohn(kirchen)steuer auf die Schuld des Arbeitnehmers. Zivilrechtlich steht ihm der Gesamtschuldnerausgleich in voller Höhe zu.
Verlag Dr. Otto Schmidt
AO § 34, § 44, § 69
EStG § 9 Abs 1 S 1, § 10 Abs 1 Nr. 4, § 19 Abs 1 Nr. 1, § 38 Abs 2 S 1, § 42d Abs 1 Nr. 1, § 42d Abs 3 S 1, § 51a Abs 1 S 1
KiStG NW
Werbungskosten sind Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus erfasst der Werbungskostenbegriff alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst werden. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Für den objektiven Zusammenhang mit dem Beruf ist wiederum zum einen die ‑ wertende ‑ Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" und zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre maßgeblich.
Anders als im Fall der Haftungsinanspruchnahme eines Arbeitnehmers durch das FA gemäß §§ 69, 34 AO reicht es für einen Abzug der gezahlten Lohnkirchensteuer als Werbungskosten nicht aus, dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber die aufgrund eines Anspruchs nach § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO, § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB geleistete Haftungssumme erstattet. Denn erstattet der Steuerpflichtige lediglich im Rahmen eines zivilrechtlichen Rückgriffs gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB seinem Arbeitgeber die von diesem gezahlte Lohn(kirchen)steuer, kommt er allein dem im Arbeitsverhältnis begründeten zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitgebers nach und begleicht seine persönliche Steuerschuld.
Ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht in einem solchen Fall nicht schon allein deshalb, weil der Arbeitgeber zur Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen gehört. Vielmehr bleibt der Auslöser für die Zahlung die vorangegangene Begleichung der persönlichen Kirchensteuer des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber.
In dem Fall, dass der vom Arbeitgeber geschuldete Barlohn nicht zur Deckung der Lohnsteuer ausreicht und der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber daher den Fehlbetrag zur Verfügung stellen muss (§ 38 Abs. 4 Satz 1 EStG), erstattet der Steuerpflichtige seinem Arbeitgeber hier die von diesem für ihn bereits abgeführte Lohnkirchensteuer.
Ausgehend von diesen Maßstäben waren im Streitfall die Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Tilgung der Regressforderung des Arbeitgebers (einer GmbH) keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Denn das FA hatte die GmbH ‑ und nicht den Steuerpflichtigen ‑ unter anderem für die Lohnkirchensteuer in Haftung genommen. Die anschließende Erstattung des Steuerpflichtigen an die GmbH beruhte auf § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Der Steuerpflichtige, der gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb Schuldner der Lohnkirchensteuer ist, hat dem Arbeitgeber die auf ihn entfallenden Kirchensteuern erstattet und so für die nötige nachträgliche Deckung gesorgt. Hierzu war er als Gesamtschuldner nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb verpflichtet, soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht (§ 44 Abs. 1 AO).
Der Steuerpflichtige kann jedoch die von ihm an die GmbH gezahlte Kirchensteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgaben abziehen. Denn für die Berechtigung zum Abzug von Kirchensteuer ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige seine persönliche Kirchensteuer selbst gezahlt hat oder diese im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitgeber einbehalten worden ist. Gleiches gilt aber auch dann, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gezahlte Kirchensteuer erstattet.
Nicht um die Zahlung eines Dritten, sondern um "gezahlte Kirchensteuer" im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG handelt es sich, wenn die Lohnkirchensteuer im Wege des Steuerabzugs vom Arbeitgeber einbehalten wird. Erstattet ein Steuerpflichtiger dem aufgrund des § 42d Abs. 3 EStG für die Lohnkirchensteuer in Haftung genommenen Arbeitgeber dessen Zahlung, liegt eine vergleichbare Situation vor. Der Arbeitnehmer, den sein Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 3 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb als Gesamtschuldner in Regress nimmt, ist nicht nur wirtschaftlich durch die Zahlung belastet. Er ist hierzu auch gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1, § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. KiStG NW/KiStO Pb im Innenverhältnis als Schuldner der Lohnkirchensteuer weiterhin in voller Höhe rechtlich verpflichtet. Indem der Arbeitgeber die Steuer entrichtet, erfüllt er nicht seine eigene Schuld, sondern zahlt im Vorgriff auf eine (Nach-)Erhebung der Lohn(kirchen)steuer auf die Schuld des Arbeitnehmers. Zivilrechtlich steht ihm der Gesamtschuldnerausgleich in voller Höhe zu.