Erstattungszinsen als tarifbegünstigte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten
Kurzbesprechung
BFH v. 30.8.2023 - X R 2/22
EStG § 34 Abs 2 Nr. 3, § 34 Abs 2 Nr. 4
AO § 233a
BFH v. 30. 8. 2023 - X R 2/22
Erstattungszinsen können Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellen. Denn Vergütungen sind alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt. Unter diese Begriffsbestimmung fallen auch Erstattungszinsen zu Betriebssteuern, die ‑ wie im entschiedenen Streitfall ‑ zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Es handelt sich um Vorteile von wirtschaftlichem Wert, die im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden.
Die Vergütungen sind auch für eine "Tätigkeit" bezogen worden. Allerdings hat das FG ‑‑unter Berufung auf das Urteil des VIII. Senats des BFH vom 12.11.2013 - VIII R 36/10 (BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168, Rz 37)‑‑ ausgeführt, der Wortsinn des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG stehe der Subsumtion von Erstattungszinsen unter diese Vorschrift entgegen, da eine solche Zinszahlung keine Tätigkeit, sondern eine durch Verwaltungsakt bestimmte zwangsweise Kapitalüberlassung vergüte.
Allein der Umstand, dass der Steuerpflichtige eine bestimmte Handlung aufgrund einer ihn bindenden staatlichen Anordnung vornimmt, schließt es nach Auffassung des X. Senats des BFH nicht aus, diese Handlung als "Tätigkeit" anzusehen, so dass der durch den Wortsinn dieses Begriffs gezogene Rahmen nicht überschritten ist. Dem Begriff der "Tätigkeit" wohnt keine Differenzierung danach inne, ob die Handlung des Steuerpflichtigen vollkommen freiwillig oder aufgrund eines von außen auf den Steuerpflichtigen wirkenden Einflusses vorgenommen wird, entscheidend ist vielmehr das Handlungselement. Der VIII. Senat des BFH hält auf Anfrage des X. Senats an seiner noch anderslautenden Rechtsauffassung im Urteil v. 12.11.2013 - VIII R 36/10 (BStBl II 2014, 168) nicht mehr fest.
Die im Streitfall in der Kapitalüberlassung liegende Tätigkeit war auch mehrjährig im Sinne der Legaldefinition des § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG. Außerdem war die Gewinnerhöhung aufgrund der Erstattungszinsen auch als "außerordentlich" anzusehen. Für die Wertung, eine erst nach einem langjährigen Rechtsstreit realisierte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten auch bei einem bilanzierenden Gewerbetreibenden als außerordentlich anzusehen, spricht, dass Höhe und Zuflusszeitpunkt dieser Einkünfte für den Gewerbetreibenden aufgrund des Rechtsstreits nicht disponibel sind, dass aufgrund der erheblichen Höhe der Vergütung typischerweise eine Progressionswirkung eintritt und dass aufgrund des Vorsichtsprinzips zunächst ein Aktivierungsverbot zu beachten ist Diese Gesichtspunkte gelten in gleicher Weise für die mit der zusammengeballt zufließenden Vergütung verbundenen Zinsen.
Letztlich entfaltete auch § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG im Streitfall keine Sperrwirkung. Nach dieser Regelung kommen als außerordentliche Einkünfte Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3 EStG (d.h. nur solche für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke), soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden, in Betracht. Für Zinsen, die zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören, kann aus § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG jedoch keine derart umfassende Sperrwirkung abgeleitet werden. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte jener Norm. Denn die Schaffung einer ausdrücklichen Begünstigung für bestimmte Nutzungsvergütungen und Zinsen aufgrund der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke hatte daher ausschließlich zum Ziel, den Anwendungsbereich des § 34 EStG zu erweitern. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der anderen Nummern des § 34 Abs. 2 EStG war hingegen nicht beabsichtigt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 34 Abs 2 Nr. 3, § 34 Abs 2 Nr. 4
AO § 233a
BFH v. 30. 8. 2023 - X R 2/22
Erstattungszinsen können Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellen. Denn Vergütungen sind alle Vorteile von wirtschaftlichem Wert, die der Steuerpflichtige im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart erzielt. Unter diese Begriffsbestimmung fallen auch Erstattungszinsen zu Betriebssteuern, die ‑ wie im entschiedenen Streitfall ‑ zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören. Es handelt sich um Vorteile von wirtschaftlichem Wert, die im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden.
Die Vergütungen sind auch für eine "Tätigkeit" bezogen worden. Allerdings hat das FG ‑‑unter Berufung auf das Urteil des VIII. Senats des BFH vom 12.11.2013 - VIII R 36/10 (BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168, Rz 37)‑‑ ausgeführt, der Wortsinn des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG stehe der Subsumtion von Erstattungszinsen unter diese Vorschrift entgegen, da eine solche Zinszahlung keine Tätigkeit, sondern eine durch Verwaltungsakt bestimmte zwangsweise Kapitalüberlassung vergüte.
Allein der Umstand, dass der Steuerpflichtige eine bestimmte Handlung aufgrund einer ihn bindenden staatlichen Anordnung vornimmt, schließt es nach Auffassung des X. Senats des BFH nicht aus, diese Handlung als "Tätigkeit" anzusehen, so dass der durch den Wortsinn dieses Begriffs gezogene Rahmen nicht überschritten ist. Dem Begriff der "Tätigkeit" wohnt keine Differenzierung danach inne, ob die Handlung des Steuerpflichtigen vollkommen freiwillig oder aufgrund eines von außen auf den Steuerpflichtigen wirkenden Einflusses vorgenommen wird, entscheidend ist vielmehr das Handlungselement. Der VIII. Senat des BFH hält auf Anfrage des X. Senats an seiner noch anderslautenden Rechtsauffassung im Urteil v. 12.11.2013 - VIII R 36/10 (BStBl II 2014, 168) nicht mehr fest.
Die im Streitfall in der Kapitalüberlassung liegende Tätigkeit war auch mehrjährig im Sinne der Legaldefinition des § 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 2 EStG. Außerdem war die Gewinnerhöhung aufgrund der Erstattungszinsen auch als "außerordentlich" anzusehen. Für die Wertung, eine erst nach einem langjährigen Rechtsstreit realisierte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten auch bei einem bilanzierenden Gewerbetreibenden als außerordentlich anzusehen, spricht, dass Höhe und Zuflusszeitpunkt dieser Einkünfte für den Gewerbetreibenden aufgrund des Rechtsstreits nicht disponibel sind, dass aufgrund der erheblichen Höhe der Vergütung typischerweise eine Progressionswirkung eintritt und dass aufgrund des Vorsichtsprinzips zunächst ein Aktivierungsverbot zu beachten ist Diese Gesichtspunkte gelten in gleicher Weise für die mit der zusammengeballt zufließenden Vergütung verbundenen Zinsen.
Letztlich entfaltete auch § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG im Streitfall keine Sperrwirkung. Nach dieser Regelung kommen als außerordentliche Einkünfte Nutzungsvergütungen und Zinsen im Sinne des § 24 Nr. 3 EStG (d.h. nur solche für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke), soweit sie für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden, in Betracht. Für Zinsen, die zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören, kann aus § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG jedoch keine derart umfassende Sperrwirkung abgeleitet werden. Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte jener Norm. Denn die Schaffung einer ausdrücklichen Begünstigung für bestimmte Nutzungsvergütungen und Zinsen aufgrund der Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke hatte daher ausschließlich zum Ziel, den Anwendungsbereich des § 34 EStG zu erweitern. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der anderen Nummern des § 34 Abs. 2 EStG war hingegen nicht beabsichtigt.