Erste Tätigkeitsstätte eines Gerichtsvollziehers
Kurzbesprechung
BFH v. 16.12.2020 - VI R 35/18
EStG § 9 Abs. 2, § 9 Abs 4 S. 1
Streitig war, ob die Fahrtkosten eines Gerichtsvollziehers von seinem Wohnort zu seinem Amtssitz (Amtsgericht) nach dem ab 2014 geltenden neuen Reisekostenrecht als Reisekosten oder nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar sind. Der Steuerpflichtige machte die Fahrtkosten als Reisekosten geltend mit der Begründung, er erledige sämtliche notwendige Innendienstarbeiten in seinem genehmigten Büro von zu Hause aus und unterhalte seinen Amtssitz bei Gericht lediglich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§ 30 Gerichtsvollzieherordnung - GVO).
Der BFH entschied, dass sich die erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen im Streitjahr an seinem Amtssitz in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts sowie dem vom Steuerpflichtigen angemieteten Geschäftszimmer (§ 30 GVO) befand.
Die Dienstgebäude des Amtsgericht, zu denen insbesondere das Geschäftszimmer der Verteilungsstelle (§ 23 GVO) gehört, sind eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Steuerpflichtigen, im Streitfall des Landes Baden-Württemberg.
Neben den Dienstgebäuden des Amtsgerichts gehört auch das vom Steuerpflichtigen zusammen mit anderen Gerichtsvollziehern angemietete Gemeinschaftsbüro (Geschäftszimmer) zu der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers.
Zwar haben der Steuerpflichtige und die anderen Gerichtsvollzieher das Gemeinschaftsbüro angemietet und nutzen es dementsprechend aus eigenem Recht für ihre berufliche Tätigkeit. Gleichwohl ist es dem Dienstherrn/Arbeitgeber angesichts der besonderen öffentlich-rechtlichen Regelung des Dienstverhältnisses eines Gerichtsvollziehers in der GVO als betriebliche Einrichtung zuzurechnen. Dem Steuerpflichtigen wird in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts kein Geschäftszimmer zur Verfügung gestellt. Er ist vielmehr nach § 30 GVO verpflichtet, an seinem Amtssitz, dem Sitz seiner Dienstbehörde (§ 2 Satz 1 GVO), ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten zu halten. Dieses ist von außen als solches kenntlich zu machen und mit einem Briefeinwurf oder Briefkasten zu versehen (§ 30 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 GVO). Daneben sind die Büroeinrichtung und die technische Ausstattung des Geschäftszimmers am Amtssitz nach Art und Umfang im Einzelnen in § 30 Abs. 3 bis 5 GVO geregelt. Zudem ist vorgeschrieben, welche dienstlichen Unterlagen (wie Akten, Register und Kassenbücher, Datenträger) der Gerichtsvollzieher in dem Geschäftszimmer aufzubewahren hat (§ 30 Abs. 8 Satz 1 GVO) und welche privaten Unterlagen im Geschäftszimmer nicht aufbewahrt werden dürfen (§ 30 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 2 GVO). Die zweckmäßige Einrichtung des Geschäftsbetriebs ist auch Gegenstand der vierteljährlich oder mindestens jährlich durchzuführenden ordentlichen Geschäftsprüfung der Geschäftsführung des Gerichtsvollziehers durch den dafür zuständigen Richter oder Beamten des AG (§ 72 Abs. 1 i.V.m. § 75 Abs. 4 GVO), welche bei Beanstandungen erforderliche Maßnahmen der Dienstaufsicht rechtfertigt (§ 77 GVO).
Angesichts dieser Vorgaben ist auch das Gemeinschaftsbüro (Geschäftszimmer) des Steuerpflichtigen dem Arbeitgeber, im Streitfall dem Land Baden-Württemberg, als betriebliche Einrichtung zuzurechnen.
Die Dienstgebäude des Amtsgerichts und das am selben Ort angemietete Geschäftszimmer des Steuerpflichtigen stehen auch in einem räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers. Sie stellen daher eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung dar.
Der Steuerpflichtige war dieser Tätigkeitsstätte, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts und dem angemieteten Geschäftszimmer, nach den bestehenden dienstrechtlichen Vorschriften zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgte auch unbefristet, denn sie war weder kalendermäßig bestimmt noch ergab sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung eine Befristung. Außerdem war der Steuerpflichtige dort auch in dem für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte hinreichenden Umfang tätig geworden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 9 Abs. 2, § 9 Abs 4 S. 1
Streitig war, ob die Fahrtkosten eines Gerichtsvollziehers von seinem Wohnort zu seinem Amtssitz (Amtsgericht) nach dem ab 2014 geltenden neuen Reisekostenrecht als Reisekosten oder nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehbar sind. Der Steuerpflichtige machte die Fahrtkosten als Reisekosten geltend mit der Begründung, er erledige sämtliche notwendige Innendienstarbeiten in seinem genehmigten Büro von zu Hause aus und unterhalte seinen Amtssitz bei Gericht lediglich aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§ 30 Gerichtsvollzieherordnung - GVO).
Der BFH entschied, dass sich die erste Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen im Streitjahr an seinem Amtssitz in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts sowie dem vom Steuerpflichtigen angemieteten Geschäftszimmer (§ 30 GVO) befand.
Die Dienstgebäude des Amtsgericht, zu denen insbesondere das Geschäftszimmer der Verteilungsstelle (§ 23 GVO) gehört, sind eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Steuerpflichtigen, im Streitfall des Landes Baden-Württemberg.
Neben den Dienstgebäuden des Amtsgerichts gehört auch das vom Steuerpflichtigen zusammen mit anderen Gerichtsvollziehern angemietete Gemeinschaftsbüro (Geschäftszimmer) zu der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers.
Zwar haben der Steuerpflichtige und die anderen Gerichtsvollzieher das Gemeinschaftsbüro angemietet und nutzen es dementsprechend aus eigenem Recht für ihre berufliche Tätigkeit. Gleichwohl ist es dem Dienstherrn/Arbeitgeber angesichts der besonderen öffentlich-rechtlichen Regelung des Dienstverhältnisses eines Gerichtsvollziehers in der GVO als betriebliche Einrichtung zuzurechnen. Dem Steuerpflichtigen wird in den Dienstgebäuden des Amtsgerichts kein Geschäftszimmer zur Verfügung gestellt. Er ist vielmehr nach § 30 GVO verpflichtet, an seinem Amtssitz, dem Sitz seiner Dienstbehörde (§ 2 Satz 1 GVO), ein Geschäftszimmer auf eigene Kosten zu halten. Dieses ist von außen als solches kenntlich zu machen und mit einem Briefeinwurf oder Briefkasten zu versehen (§ 30 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 GVO). Daneben sind die Büroeinrichtung und die technische Ausstattung des Geschäftszimmers am Amtssitz nach Art und Umfang im Einzelnen in § 30 Abs. 3 bis 5 GVO geregelt. Zudem ist vorgeschrieben, welche dienstlichen Unterlagen (wie Akten, Register und Kassenbücher, Datenträger) der Gerichtsvollzieher in dem Geschäftszimmer aufzubewahren hat (§ 30 Abs. 8 Satz 1 GVO) und welche privaten Unterlagen im Geschäftszimmer nicht aufbewahrt werden dürfen (§ 30 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 2 GVO). Die zweckmäßige Einrichtung des Geschäftsbetriebs ist auch Gegenstand der vierteljährlich oder mindestens jährlich durchzuführenden ordentlichen Geschäftsprüfung der Geschäftsführung des Gerichtsvollziehers durch den dafür zuständigen Richter oder Beamten des AG (§ 72 Abs. 1 i.V.m. § 75 Abs. 4 GVO), welche bei Beanstandungen erforderliche Maßnahmen der Dienstaufsicht rechtfertigt (§ 77 GVO).
Angesichts dieser Vorgaben ist auch das Gemeinschaftsbüro (Geschäftszimmer) des Steuerpflichtigen dem Arbeitgeber, im Streitfall dem Land Baden-Württemberg, als betriebliche Einrichtung zuzurechnen.
Die Dienstgebäude des Amtsgerichts und das am selben Ort angemietete Geschäftszimmer des Steuerpflichtigen stehen auch in einem räumlichen und organisatorischen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers. Sie stellen daher eine zusammengefasste ortsfeste betriebliche Einrichtung dar.
Der Steuerpflichtige war dieser Tätigkeitsstätte, bestehend aus den Dienstgebäuden des Amtsgerichts und dem angemieteten Geschäftszimmer, nach den bestehenden dienstrechtlichen Vorschriften zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgte auch unbefristet, denn sie war weder kalendermäßig bestimmt noch ergab sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung eine Befristung. Außerdem war der Steuerpflichtige dort auch in dem für das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte hinreichenden Umfang tätig geworden.