Erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht
Kurzbesprechung
BFH v. 12. 10. 2022 - II R 5/20
ErbStG § 2 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 2 Abs 1 Nr. 1 S 2 Buchst b, § 21
AEUV Art 63 Abs 1, Art 267
EGFreizügAbk CHE Art 2
GG Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1
Als Schenkung unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt u.a. gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt die Steuerpflicht in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall ein (unbeschränkte Steuerpflicht). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.
Diese sog. erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt nach Auffassung des BFH nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Entscheidung darüber, ob die Einbeziehung einer Personengruppe in den Anwendungsbereich eines Steuergesetzes zur Auswahl und damit zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands zählt, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, oder ob dies eine Frage der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstands ist, mit der Folge einer engeren Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, kann nicht nach abstrakten Kriterien getroffen werden, sondern muss jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstands und der betreffenden Vergleichsgruppen erfolgen. Dabei kommt es regelmäßig wesentlich darauf an, inwieweit die Gruppe, um deren Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung in Frage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen.
Die Einbeziehung der deutschen Staatsangehörigen mit Auslandswohnsitz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG in die unbeschränkte Steuerpflicht gehört zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands, der dem Gesetzgeber weiten Gestaltungsspielraum eröffnet. Es handelt sich nicht um eine nachrangige Ausnahme, die unter Folgerichtigkeitsaspekten einer erhöhten Rechtfertigung bedürfte. In Anbetracht der somit weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht erweist sich die konkrete Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG als sachgerecht und nicht willkürlich.
Die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG geregelte erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht leidet auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. Es liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Ausreisefreiheit vor.
Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt auch nicht gegen Unionsrecht, da sie nicht zu einer Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) führt. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 30.04.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, L 114, 6) war für den BFH ebenfalls nicht ersichtlich.
Verlag Dr. Otto Schmidt
ErbStG § 2 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 2 Abs 1 Nr. 1 S 2 Buchst b, § 21
AEUV Art 63 Abs 1, Art 267
EGFreizügAbk CHE Art 2
GG Art 2 Abs 1, Art 3 Abs 1
Als Schenkung unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt u.a. gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt die Steuerpflicht in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG, wenn der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist, für den gesamten Vermögensanfall ein (unbeschränkte Steuerpflicht). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünf Jahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben.
Diese sog. erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt nach Auffassung des BFH nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Entscheidung darüber, ob die Einbeziehung einer Personengruppe in den Anwendungsbereich eines Steuergesetzes zur Auswahl und damit zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands zählt, bei der dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zusteht, oder ob dies eine Frage der Differenzierung innerhalb des Steuergegenstands ist, mit der Folge einer engeren Bindung des Gesetzgebers an die Grundsätze der Folgerichtigkeit und Belastungsgleichheit, kann nicht nach abstrakten Kriterien getroffen werden, sondern muss jeweils in Ansehung der konkreten Umstände des in Rede stehenden Steuergegenstands und der betreffenden Vergleichsgruppen erfolgen. Dabei kommt es regelmäßig wesentlich darauf an, inwieweit die Gruppe, um deren Einbeziehung es geht, durch Merkmale geprägt ist, die gerade den Steuergegenstand, dessen Ausgestaltung in Frage steht, unter dem Gesichtspunkt des steuerbaren Vorteils kennzeichnen.
Die Einbeziehung der deutschen Staatsangehörigen mit Auslandswohnsitz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG in die unbeschränkte Steuerpflicht gehört zur Bestimmung des Umfangs des Steuergegenstands, der dem Gesetzgeber weiten Gestaltungsspielraum eröffnet. Es handelt sich nicht um eine nachrangige Ausnahme, die unter Folgerichtigkeitsaspekten einer erhöhten Rechtfertigung bedürfte. In Anbetracht der somit weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht erweist sich die konkrete Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG als sachgerecht und nicht willkürlich.
Die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Buchst. b ErbStG geregelte erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht leidet auch nicht an einem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren strukturellen Erhebungs- und Vollzugsdefizit. Es liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Ausreisefreiheit vor.
Die erweiterte unbeschränkte Schenkungsteuerpflicht verstößt auch nicht gegen Unionsrecht, da sie nicht zu einer Verletzung der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) führt. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 30.04.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, L 114, 6) war für den BFH ebenfalls nicht ersichtlich.