Erwerb in Abbruchabsicht im Wege vorweggenommener Erbfolge bei einer Mitunternehmerschaft
BFH v. 27.5.2020 - III R 17/19
Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Restbuchwert eines abgebrochenen Gebäudes und die Abbruchkosten beim Kläger sofort abziehbare Betriebsausgaben oder Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes darstellen. Der Vater des Klägers betrieb zunächst das "Sportgeschäft X" als Einzelunternehmen. Im Jahr 2003 nahm er den Kläger als Mitgesellschafter der neu entstandenen Sport-X OHG auf. Im Streitjahr 2011 übertrug der Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Mitunternehmeranteil sowie das in seinem Alleineigentum stehende und zu 66,6 % im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Grundstück mit aufstehendem Gebäude (Ladenlokal) auf den Kläger. In den Vorbemerkungen des notariellen Übergabevertrages wurde ausgeführt:
"E und der Kläger sind derzeit jeweils zur Hälfte am Kapital und am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. E ist außerdem der alleinige Eigentümer der Immobilie Y. Der Kläger ist Alleineigentümer des angrenzenden Anwesens. Es ist beabsichtigt, die vorhandene Bebauung abzureißen und beide Grundstücke grundbuchrechtlich zusammenzulegen und mit einem Wohn/Geschäftshaus zu bebauen, das dann zu einem großen Teil für das Sportgeschäft genutzt werden soll, wobei später eine Aufteilung in Teil- und Wohneigentum erfolgen soll."
Das auf dem Grundstück Y aufstehende Gebäude und das Gebäude auf dem zuvor (Oktober 2010) erworbenen Nachbargrundstück ließ der Kläger abreißen und an ihrer Stelle einen einheitlichen Neubau errichten, in dem sich bis heute insbesondere die Räume des Sportfachgeschäfts X befinden. Der betriebliche Anteil macht nunmehr 75,2 % des Gesamtgebäudes aus. In der Steuererklärung des Streitjahres 2011 erklärte der Kläger einen Gewinn aus Gewerbebetrieb. Die auf den Restbuchwert vorgenommene Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) und die anteiligen Abbruchkosten für das Gebäude Y setzte der Kläger als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben an. Nach einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass der Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten Herstellungskosten des neuen Gebäudes seien.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht die sofortige Abziehbarkeit des Restbuchwerts und der für das frühere Gebäude Y betreffenden anteiligen Abbruchkosten verneint. Der Kläger durfte auf den Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes keine AfaA gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG vornehmen und die Abbruchkosten nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG absetzen. Denn es handelt sich um Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes, für die nach § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG lediglich Absetzung für Abnutzung (AfA) in gleichen Jahresbeträgen in Anspruch genommen werden kann.
Gem. § 5 Abs. 6 EStG sind bei buchführungspflichtigen Gewerbetreibenden u.a. die Vorschriften über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), die Bewertung (§ 6 EStG) und die AfA (§ 7 EStG) zu beachten. Gem. § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betrieblich veranlasst sind alle Aufwendungen, die in einem objektiven und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Handelt es sich bei den Aufwendungen um Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 255 Abs. 1 und Abs. 2 HGB) auf ein abnutzbares Wirtschaftsgut, sind diese Betriebsausgaben nicht bereits bei ihrer Entstehung oder Ausgabe abziehbar, sondern über die Dauer der voraussichtlichen Verwendung oder Nutzung zu verteilen. Es erfolgt insoweit eine Aktivierung und Aufwandsverteilung nach § 7 EStG auf die entsprechenden Besteuerungszeiträume.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung kommt es für den Ansatz von AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG und den Abzug von Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei einem im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäude darauf an, ob dieses mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wird. Der Große Senat des BFH hat diese Rechtsansicht damit begründet, dass bei dem Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht Anschaffung und Herstellung allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb dienten und deshalb bei dessen Anschaffung oder Herstellung noch kein Zusammenhang mit dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck, nämlich der Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, bestehe. Demgegenüber werde bei einer bereits beim Erwerb des Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel, nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, verfolgt, woraus sich schon bei der Anschaffung ein unmittelbarer Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen ergebe, was zur Folge habe, den Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen.
Diese Grundsätze werden nicht nur bei dem entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes angewandt, sondern auch beim Erwerb im Wege der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge und durch Erbfolge. Weiterhin werden die Abbruchkosten und der Restwert eines Gebäudes bei der Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen mit Abbruchabsicht den Herstellungskosten des Neubaus zugerechnet. Soweit der Erwerber das unentgeltlich erhaltene Gebäude nicht zur Einkunftserzielung nutzen, sondern abreißen will, um ein neues Gebäude zu errichten, fehlt - wie beim entgeltlichen Erwerb "in" Abbruchabsicht - jeder Zusammenhang mit den vorher erzielten Einkünften. Der erkennende Senat hält diese Rechtsgrundsätze auch auf den vorliegenden Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils im Fall der vorweggenommenen Erbfolge nach § 6 Abs. 3 EStG für anwendbar.
Entgegen der Ansicht der Kläger gebietet auch der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke der Betriebskontinuität keinen Anlass dafür, die Grundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Zwar bewirkt der Übergang des Betriebs nach § 6 Abs. 3 EStG nicht nur die Fortführung der Buchwerte durch den Erwerber, sondern den vollständigen Eintritt des Rechtsnachfolgers in die betriebsbezogene Rechtsstellung des Rechtsvorgängers. Damit tritt der Erwerber aber nur in noch unentwickelte betriebsbezogene Rechtspositionen seines Vorgängers ein, soweit diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen. Eine umfassende "Fußstapfentheorie" wird durch § 6 Abs. 3 EStG nicht begründet. Die aus der Abbruchabsicht resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen Gebäudes bleibt von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten Buchwertfortführung unberührt.
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Restbuchwert eines abgebrochenen Gebäudes und die Abbruchkosten beim Kläger sofort abziehbare Betriebsausgaben oder Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes darstellen. Der Vater des Klägers betrieb zunächst das "Sportgeschäft X" als Einzelunternehmen. Im Jahr 2003 nahm er den Kläger als Mitgesellschafter der neu entstandenen Sport-X OHG auf. Im Streitjahr 2011 übertrug der Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Mitunternehmeranteil sowie das in seinem Alleineigentum stehende und zu 66,6 % im Sonderbetriebsvermögen gehaltene Grundstück mit aufstehendem Gebäude (Ladenlokal) auf den Kläger. In den Vorbemerkungen des notariellen Übergabevertrages wurde ausgeführt:
"E und der Kläger sind derzeit jeweils zur Hälfte am Kapital und am Vermögen der Gesellschaft beteiligt. E ist außerdem der alleinige Eigentümer der Immobilie Y. Der Kläger ist Alleineigentümer des angrenzenden Anwesens. Es ist beabsichtigt, die vorhandene Bebauung abzureißen und beide Grundstücke grundbuchrechtlich zusammenzulegen und mit einem Wohn/Geschäftshaus zu bebauen, das dann zu einem großen Teil für das Sportgeschäft genutzt werden soll, wobei später eine Aufteilung in Teil- und Wohneigentum erfolgen soll."
Das auf dem Grundstück Y aufstehende Gebäude und das Gebäude auf dem zuvor (Oktober 2010) erworbenen Nachbargrundstück ließ der Kläger abreißen und an ihrer Stelle einen einheitlichen Neubau errichten, in dem sich bis heute insbesondere die Räume des Sportfachgeschäfts X befinden. Der betriebliche Anteil macht nunmehr 75,2 % des Gesamtgebäudes aus. In der Steuererklärung des Streitjahres 2011 erklärte der Kläger einen Gewinn aus Gewerbebetrieb. Die auf den Restbuchwert vorgenommene Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) und die anteiligen Abbruchkosten für das Gebäude Y setzte der Kläger als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben an. Nach einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass der Restbuchwert des Gebäudes und die Abbruchkosten Herstellungskosten des neuen Gebäudes seien.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht die sofortige Abziehbarkeit des Restbuchwerts und der für das frühere Gebäude Y betreffenden anteiligen Abbruchkosten verneint. Der Kläger durfte auf den Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes keine AfaA gem. § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG vornehmen und die Abbruchkosten nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG absetzen. Denn es handelt sich um Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes, für die nach § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG lediglich Absetzung für Abnutzung (AfA) in gleichen Jahresbeträgen in Anspruch genommen werden kann.
Gem. § 5 Abs. 6 EStG sind bei buchführungspflichtigen Gewerbetreibenden u.a. die Vorschriften über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), die Bewertung (§ 6 EStG) und die AfA (§ 7 EStG) zu beachten. Gem. § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betrieblich veranlasst sind alle Aufwendungen, die in einem objektiven und wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stehen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Handelt es sich bei den Aufwendungen um Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 255 Abs. 1 und Abs. 2 HGB) auf ein abnutzbares Wirtschaftsgut, sind diese Betriebsausgaben nicht bereits bei ihrer Entstehung oder Ausgabe abziehbar, sondern über die Dauer der voraussichtlichen Verwendung oder Nutzung zu verteilen. Es erfolgt insoweit eine Aktivierung und Aufwandsverteilung nach § 7 EStG auf die entsprechenden Besteuerungszeiträume.
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung kommt es für den Ansatz von AfaA nach § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG und den Abzug von Abbruchkosten als sofort abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei einem im Zeitpunkt des Erwerbs technisch oder wirtschaftlich noch nicht verbrauchten Gebäude darauf an, ob dieses mit oder ohne Abbruchabsicht erworben wird. Der Große Senat des BFH hat diese Rechtsansicht damit begründet, dass bei dem Erwerb eines Gebäudes ohne Abbruchabsicht Anschaffung und Herstellung allein dem Ziel der Nutzung durch den Betrieb dienten und deshalb bei dessen Anschaffung oder Herstellung noch kein Zusammenhang mit dem späteren Abbruch und dem damit verfolgten Zweck, nämlich der Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes, bestehe. Demgegenüber werde bei einer bereits beim Erwerb des Gebäudes bestehenden Abbruchabsicht ein weiterreichendes Ziel, nämlich die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts, verfolgt, woraus sich schon bei der Anschaffung ein unmittelbarer Zusammenhang der Anschaffungskosten mit den später beabsichtigten Maßnahmen ergebe, was zur Folge habe, den Restwert des Gebäudes und die Abbruchkosten den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes zuzurechnen.
Diese Grundsätze werden nicht nur bei dem entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks oder Gebäudes angewandt, sondern auch beim Erwerb im Wege der unentgeltlichen Einzelrechtsnachfolge und durch Erbfolge. Weiterhin werden die Abbruchkosten und der Restwert eines Gebäudes bei der Einlage dieses Grundstücks in das Betriebsvermögen mit Abbruchabsicht den Herstellungskosten des Neubaus zugerechnet. Soweit der Erwerber das unentgeltlich erhaltene Gebäude nicht zur Einkunftserzielung nutzen, sondern abreißen will, um ein neues Gebäude zu errichten, fehlt - wie beim entgeltlichen Erwerb "in" Abbruchabsicht - jeder Zusammenhang mit den vorher erzielten Einkünften. Der erkennende Senat hält diese Rechtsgrundsätze auch auf den vorliegenden Fall der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils im Fall der vorweggenommenen Erbfolge nach § 6 Abs. 3 EStG für anwendbar.
Entgegen der Ansicht der Kläger gebietet auch der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke der Betriebskontinuität keinen Anlass dafür, die Grundsätze des Erwerbs in Abbruchabsicht im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Zwar bewirkt der Übergang des Betriebs nach § 6 Abs. 3 EStG nicht nur die Fortführung der Buchwerte durch den Erwerber, sondern den vollständigen Eintritt des Rechtsnachfolgers in die betriebsbezogene Rechtsstellung des Rechtsvorgängers. Damit tritt der Erwerber aber nur in noch unentwickelte betriebsbezogene Rechtspositionen seines Vorgängers ein, soweit diese in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Wertansätzen der übergegangenen Wirtschaftsgüter stehen. Eine umfassende "Fußstapfentheorie" wird durch § 6 Abs. 3 EStG nicht begründet. Die aus der Abbruchabsicht resultierende Qualifikation als Herstellungskosten des neuen Gebäudes bleibt von der in § 6 Abs. 3 EStG geregelten Buchwertfortführung unberührt.