01.08.2012

Erzielt eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit gewerbliche oder sonstige Einkünfte?

Der Große Senat des BFH wurde zur Klärung der Frage angerufen, ob eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit (Eigenprostitution) gewerbliche oder sonstige Einkünfte erzielt. Der III. Senat vertritt in seinem Vorlagebeschluss die Ansicht, dass an der Auffassung des Großen Senats aus dem Jahr 1964 wegen der geänderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht mehr festzuhalten ist.

BFH 15.3.2012, III R 30/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war im Streitjahr 2006 als Prostituierte tätig. Sie bot Dritten die Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt in einer eigens dafür angemieteten Wohnung an. Ihre Betriebseinnahmen beliefen sich im Streitjahr einschließlich der Umsatzsteuer auf etwa 64.000 € und die Betriebsausgaben auf ca. 26.000 € (u.a. Werbekosten von knapp 8.000 €).

Das Finanzamt behandelte den daraus erzielten Gewinn i.H.v. 38.115 € allerdings nicht - wie erklärt - als sonstige Einkünfte, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, und setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 152 € fest. Das FG gab der hiergegen gerichteten Sprungklage statt. Zur Begründung verwies es u.a. auf das BFH-Urteile vom 23.6.1964 (Az.: GrS 1/64 S), wonach aus "gewerbsmäßiger Unzucht" sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG erzielt werden. An dieser Entscheidung sei trotz veränderter Umstände festzuhalten.

Auf die Revision des Finanzamtes hat der III. Senat den Großen Senat des BFH zur Klärung der Frage angerufen, ob eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit (Eigenprostitution) gewerbliche oder sonstige Einkünfte erzielt.

Die Gründe:
Der III. Senat vertritt in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass an der Ansicht des Großen Senats aus dem Jahr 1964 wegen der geänderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht mehr festzuhalten ist. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten habe deren Tätigkeit legalisiert. So begründen Verträge über die Vornahme sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt nach § 1 S. 1 ProstG eine rechtswirksame Forderung.

Außerdem werden sexuelle Dienstleistungen in der Boulevardpresse und im Internet legal und umfangreich beworben. Prostituierte wenden sich infolgedessen mit ihrem Angebot an andere Personen in einer Eigenschaft als Marktteilnehmer. Da die Klägerin ihre Leistungen ebenfalls bewarb und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung erbrachte, hatte das Finanzamt zu Recht Gewerbesteuer festgesetzt.

Dieser Beurteilung stehen etwaige moralisch-ethische Einwände gegen die Prostitution nicht entgegen; denn eine gewerbliche Betätigung i.S.v. § 15 Abs. 2 EStG kann sogar dann vorliegen, wenn das Handeln des Steuerpflichtigen - was auf Prostitution nicht zutrifft - verboten ist oder als unsittlich angesehen wird. Dies folgt bereits aus § 40 AO. Für die Frage, ob Prostitution zu gewerblichen oder sonstigen Einkünften führt, ist unerheblich, ob und inwieweit ihre Ausübung örtlichen sowie Werbebeschränkungen unterliegt; denn zahlreiche andere, unzweifelhaft gewerbliche Betätigungen sind in ähnlicher Weise reglementiert, z.B. Industrie und Gewerbe durch das Bauordnungsrecht, die Pharmabranche durch die Apothekenpflicht von Arzneimitteln und Zigarettenhersteller durch die Einschränkung der Tabakwerbung.

Hintergrund:
Will ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senats oder - wie hier - des Großen Senats abweichen, muss er die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen. Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten des BFH und je einem Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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BFH PM Nr. 55 vom 1.8.2012
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