EuGH-Vorlage: Erbschaftsteuerrechtliche Anzeigepflicht eines inländischen Kreditinstituts mit Zweigniederlassung im EU-Ausland
BFH 1.10.2014, II R 29/13Die Klägerin ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und betreibt in Deutschland ein Kreditinstitut mit einer Vielzahl von Zweigstellen. Eine der rechtlich unselbständigen Zweigstellen befindet sich in Österreich. Für die in dieser Zweigstelle geführten Konten erstattete die Klägerin beim Tod eines Kontoinhabers keine Anzeige nach § 33 Abs. 1 ErbStG über die dort in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und die gegen sie gerichteten Forderungen an das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt.
Die Steuerfahndungsstelle des beklagten Finanzamtes forderte die Klägerin im September 2008 unter Hinweis auf § 33 ErbStG auf, ab dem 1.1.2001 alle von der Zweigstelle in Österreich verwalteten Vermögensgegenstände und Forderungen, die bei dem Tod eines inländischen Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, in der nach § 1 ErbStDV vorgesehenen Form bis zum 30.1.2009 dem jeweils für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt anzuzeigen.
Die Klägerin rügte diesbezüglich u.a. einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Das FG wies die Klage gegen den Bescheid ab. Auf die Revision der Klägerin setzte der BFH das Verfahren aus und legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Gründe:
Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der ein Kreditinstitut mit Sitz im Inland beim Tod eines inländischen Erblassers auch dessen Vermögensgegenstände, die in einer unselbständigen Zweigstelle des Kreditinstituts in einem anderen Mitgliedstaat verwahrt oder verwaltet werden, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer im Inland zuständigen Finanzamt anzuzeigen hat, wenn in dem anderen Mitgliedstaat keine vergleichbare Anzeigepflicht besteht und Kreditinstitute dort einem strafbewehrten Bankgeheimnis unterliegen?
Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit könnte etwa deshalb gerechtfertigt sein, weil mit der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen gewährleistet wird. Die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen ist indes ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann. Die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist allerdings nur statthaft, wenn sie geeignet ist, die Erreichung des fraglichen Ziels zu gewährleisten. Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Soweit die Wirksamkeit der Steueraufsicht als Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzuerkennen wäre, ist die in § 33 Abs. 1 ErbStG geregelte Anzeigepflicht, die sich auf ausländische Zweigstellen von inländischen Banken erstreckt, geeignet, das Ziel einer wirksamen Steuerkontrolle zu verfolgen. Denn damit erfasst die Anzeigepflicht einer inländischen Bank ihre gesamten unselbständigen Zweigstellen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine wirksame steuerliche Kontrolle sei schon deshalb nicht möglich, weil die Anzeigepflicht nicht für ausländische Banken gelte. Nationale Regelungen zur steuerlichen Kontrolle müssen regelmäßig auf das Inland beschränkt sein. Eine steuerliche Kontrolle unter Heranziehung ausländischer Banken widerspräche dem Territorialitätsprinzip. Unerheblich ist, ob sich im Fall einer Erstreckung der Anzeigepflicht auf ausländische Zweigstellen inländischer Kreditinstitute das Anlegerverhalten dahin ändern könnte, dass vermehrt Vermögen bei ausländischen Banken angelegt werden würde. Die Anzeigepflicht hat letztlich auch keine überschießende Tendenz.
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