19.06.2017

EuGH-Vorlage: Steuerbegünstigung als unzulässige Beihilfe

Der BFH hat Zweifel, ob eine grunderwerbsteuerrechtliche Begünstigung des nationalen Rechts gegen das Beihilfeverbot des Unionsrechts verstößt und deshalb angewendet werden darf. Er hat daher dem EuGH im Rahmen eines sog. Vorabentscheidungsersuchens die Frage vorgelegt, ob die für die Grunderwerbsteuer geltende Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern nach § 6a GrEStG eine unionsrechtlich verbotene Beihilfe darstellt.

BFH 30.5.2017, II R 62/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin war mehr als fünf Jahre lang Alleingesellschafterin einer grundbesitzenden Tochtergesellschaft, die auf die Klägerin verschmolzen wurde. Die Verschmelzung wurde mit der Eintragung im Handelsregister im September 2012 wirksam. Das Finanzamt sah darin einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang, für den die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht zu gewähren sei. Danach wird für bestimmte steuerbare Erwerbe aufgrund einer Umwandlung (z.B. Verschmelzung) die Grunderwerbsteuer nicht erhoben. Voraussetzung ist, dass an dem Umwandlungsvorgang ein herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft beteiligt sind und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang besteht.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Bundesministerium der Finanzen trat dem Verfahren bei. Auf die Revision des Finanzamtes setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV dahingehend auszulegen ist, dass eine nach dieser Vorschrift verbotene Beihilfe vorliegt, wenn nach der Regelung eines Mitgliedstaats Grunderwerbsteuer für einen steuerbaren Erwerb aufgrund einer Umwandlung (Verschmelzung) nicht erhoben wird, falls am Umwandlungsvorgang bestimmte Rechtsträger (herrschendes Unternehmen und eine abhängige Gesellschaft) beteiligt sind und die Beteiligung des herrschenden Unternehmens an der abhängigen Gesellschaft i.H.v. 100 % innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang besteht?

Die Gründe:
Der Senat sieht die Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Klägerin als nach § 6a GrEStG begünstigt an. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin nach der Verschmelzung aus umwandlungsrechtlichen Gründen keine Beteiligung an der Tochtergesellschaft mehr halten konnte. Zugleich heißt dies, dass der Begriff des herrschenden Unternehmens i.S.d. § 6a S. 3 GrEStG - entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung - weit zu fassen ist. Nach nationalem Recht wäre die Revision des Finanzamtes somit als unbegründet zurückzuweisen.

Fraglich ist aber, ob die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG eine unzulässige Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) ist. Verboten sind danach selektive Beihilfen für bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige. Es ist somit klärungsbedürftig, ob § 6a GrEStG einen unzulässigen selektiven Vorteil dadurch verschafft, dass die Vorschrift nur für Umwandlungen, nicht aber auch für andere Umstrukturierungsmaßnahmen gilt, auf eine Beteiligungshöhe von mindestens 95 % abstellt und eine Mindesthaltedauer von fünf Jahren verlangt. Die Regelung ist als Korrektur des grunderwerbsteuerrechtlichen Referenzsystems gerechtfertigt.

Sollte der EuGH das Vorliegen einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV bejahen, wäre § 6a GrEStG bis zu einer Entscheidung der EU-Kommission über die Vereinbarkeit der Steuerbegünstigung mit dem Binnenmarkt nicht anwendbar. Der vorliegende Fall - wie auch die weitere Anwendung dieser Vorschrift - muss bis zu einer Entscheidung durch die Kommission ausgesetzt werden.

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BFH PM Nr. 38 vom 14.6.2017
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