EuGH-Vorlage: Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens und einem mit ausländischer Erbschaftsteuer belasteten Vorerwerb
BFH 20.1.2015, II R 37/13Der Kläger ist Alleinerbe seiner im Januar 2007 verstorbenen Mutter. Diese hatte zusammen mit ihrer Tochter bis zu deren Tod im Oktober 2004 in Österreich gewohnt. Danach zog sie nach Deutschland. Sie war Miterbin der Tochter. Deren Nachlass wurde von dem nach österreichischem Recht eingesetzten Gerichtskommissär erst nach dem Tod der Mutter verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe auch deren Anteil am Nachlass der Tochter. Für den der Mutter zuzurechnenden Erwerb aus Oktober 2004 wurde in Österreich Erbschaftsteuer festgesetzt und vom Kläger bezahlt.
Der Kläger machte in der Erbschaftsteuererklärung für seinen Erwerb im Januar 2007 die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG. Das Finanzamt zog zwar die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb ab, lehnte aber die Berücksichtigung der Steuerermäßigung ab.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, dass § 27 ErbStG einen nach diesem Gesetz besteuerten Vorerwerb voraussetze und ein solcher nicht vorliege. Auf die Revision des Klägers setzte der BFH das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben wurde, und für diesen Vorerwerb Erbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde?
Gründe:
Zu klären ist, ob die Erbschaft des Klägers ein Vorgang ist, der unter den Kapitalverkehr i.S.d. Art. 63 Abs. 1 AEUV fällt, weil sie Auslandsvermögen enthält und dieses Auslandsvermögen aufgrund des vorhergehenden Erwerbs der Erblasserin durch die in einem anderen Mitgliedstaat zu entrichtende Erbschaftsteuer belastet war.
Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung handelt es sich bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht und die unter die Rubrik XI ("Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter") des Anhangs I der Richtlinie des Rates vom 24.6.1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (88/361/EWG) fallen, um Kapitalverkehr i.S.v. Art. 63 AEUV; ausgenommen sind Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen.
Der Kläger erhielt als Alleinerbe das Vermögen der Mutter, das im Wesentlichen aus deren Anteil am Nachlass der Tochter, also aus Auslandsvermögen bestand. Beim Eintritt des Erbfalls im Januar 2007 hatten der Kläger und die Mutter ihren Wohnsitz jeweils in Deutschland. Die Steuerpflicht für den Erwerb des Klägers trat nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 u. 2a ErbStG für den gesamten Vermögensanfall ein und erfasste damit auch das Auslandsvermögen. Wegen des Erwerbs von Auslandsvermögen dürfte die Erbschaft des Klägers nicht als rein innerstaatlicher Vorgang anzusehen sein und deshalb unter die Bestimmungen über den Kapitalverkehr fallen.
Fraglich ist, ob § 27 Abs. 1 ErbStG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs i.S.v. Art. 63 Abs. 1 AEUV darstellt. Sollte § 27 Abs. 1 ErbStG eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs bewirken, ist fraglich, ob diese aufgrund von Bestimmungen des Vertrags gerechtfertigt ist. Sollte sich der Kläger mit Erfolg auf Art. 63 Abs. 1 AEUV berufen können, wäre die Steuerermäßigung nach § 27 Abs. 1 ErbStG zu gewähren. Die Revision wäre begründet.
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