11.10.2012

EuGH-Vorlage zur Frage der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Personenbeförderungen mit Mietwagen im Nahverkehr

Es ist zweifelhaft, ob die nationale selektive Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 10b UStG, die eine unterschiedliche Behandlung der Mietwagenumsätze und Taxenumsätze im Hinblick auf den anwendbaren Steuersatz zur Folge hat, mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Einklang steht. Andererseits können die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben im PBefG dazu führen, dass keine gleichartigen Dienstleistungen vorliegen und damit kein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip gegeben ist.

BFH 10.7.2012, XI R 39/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH, die u.a. über eine Genehmigung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, §§ 9 ff., § 46 Abs. 2 PBefG für den Verkehr mit Mietwagen verfügt, nicht jedoch über eine Genehmigung für den Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG. In den Streitjahren 2006 und 2007 führte sie im Auftrag von Krankenkassen Krankenfahrten mit hierfür nicht besonders eingerichteten Fahrzeugen durch.

Die Klägerin erklärte die Umsätze entsprechend einer Beanstandung durch das Finanzamt mit dem allgemeinen Steuersatz. Sie begehrte allerdings den ermäßigten Steuersatz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG, der für Personenbeförderungsleistungen mit Kraftdroschken (Taxen) im Nahverkehr gilt. Hierauf ließ sich die Steuerbehörde allerdings nicht ein. Die Klägerin war der Ansicht, die Umsatzsteuer müsse wettbewerbsneutral ausgestaltet sein. Bei einer Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 10b UStG über den Wortlaut hinaus könne auch ihr als Mietwagenunternehmerin der ermäßigte Steuersatz gewährt werden.

Das FG wies die Klage diesbezüglich ab. Auf die Revision der Klägerin setzte der BFH das Verfahren aus und legte die Sache dem EuGH mit der Frage vor, ob Art. 12 Abs. 3a Unterabs. 3 i.V.m. Anhang H Kategorie 5 der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 98 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Kategorie 5 MwStSystRL unter Beachtung des Neutralitätsprinzips einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Beförderung von Personen im Verkehr mit Taxen im Nahverkehr den ermäßigten Umsatzsteuersatz vorsieht, wohingegen für die Beförderung von Personen mit sog. Mietwagen im Nahverkehr der Regelsteuersatz gilt.

Die Gründe:
Da ein "Mietwagen" nach der nationalen Gesetzgebung begrifflich keine "Kraftdroschke" bzw. kein "Taxi" ist, konnte sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den Wortlaut der Vorschrift berufen. Die unterschiedliche Behandlung von Kraftdroschken- bzw. Taxenverkehr und Mietwagenverkehr nach nationalem Recht ist auch verfassungsgemäß und liegt im öffentlichen Interesse. Der Allgemeinheit soll mit dem Taxenverkehr ein dem Kontrahierungszwang unterliegendes öffentliches Verkehrsmittel für individuelle Fahrten zu einem festgelegten Tarif zur Verfügung stehen.

Nach Art. 12 Abs. 3a Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG und nach Art. 98 MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachtet wird, der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, zwar die Möglichkeit, konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Dienstleistungen i.S.d. Anhangs H der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Anhangs III MwStSystRL mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz zu belegen. Der Senat hält es allerdings für zweifelhaft, ob die nationale selektive Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 10b UStG, die eine unterschiedliche Behandlung der Mietwagenumsätze und Kraftdroschken- bzw. Taxenumsätze im Hinblick auf den anwendbaren Steuersatz zur Folge hat, mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Einklang steht.

Der Grundsatz der Neutralität verbietet es insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln, so dass solche Waren oder Dienstleistungen einem einheitlichen Steuersatz zu unterwerfen sind. Nach EuGH-Rechtsprechung ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bereits dann verletzt, wenn zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleiche oder gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Allerdings können die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben im PBefG möglicherweise dazu führen, dass keine gleichartigen Dienstleistungen vorliegen und damit kein Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip gegeben ist. Somit ist die Antwort des EuGH auf die Vorlagefragen im vorliegenden Fall entscheidungserheblich.

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