03.01.2018

EuGH-Vorlagen: Zweifel an der Umsatzsteuerpflicht der förmlichen Zustellungen von Postsendungen

Der BFH zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht der förmlichen Zustellung von Postsendungen und hat hierzu zwei Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet.

BFH 31.5.2017, V R 8/16 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ V R 8/16 +++
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A-GmbH (A). Die A betrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahre 2011 - neben weiteren mit ihr verbundenen Unternehmen - ein Unternehmen, dessen Geschäftsgegenstand insbesondere die Ausführung von Postzustellungsaufträgen in Deutschland ist. A beantragte im Jahr 2010 beim beklagten Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), ihr eine Bescheinigung über die "Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt Postzustellungsaufträge (PZA) gem. §§ 176 ff. ZPO" nach § 4 Nr. 11b UStG zu erteilen. Zur Begründung führte die A aus, dass das Produkt "Postzustellungsauftrag" dem Post-Universaldienst zuzuordnen sei.

Das BZSt lehnte den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG mit der Begründung ab, das Produkt "Postzustellungsauftrag" sei keine Post-Universaldienstleistung. Am 1.7.2011 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das FG wies die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger Revision ein. Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor.

+++ V R 30/15 +++
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-AG, der Insolvenzschuldnerin (B). Diese ist Unternehmerin und Organträgerin einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Sie erbringt im Rahmen ihres Unternehmens durch verschiedene Organgesellschaften Postdienstleistungen. Während der Jahre 2008 und 2009 (Streitjahre) führte sie durch ein bundesweit strukturiertes Zustellnetz im Wesentlichen Postzustellungsaufträge in Deutschland aus, die sie als umsatzsteuerfrei behandelte.

Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam das Finanzamt zu der Ansicht, die Umsätze aus förmlichen Zustellungen seien nicht von der Umsatzsteuer befreit. Es behandelte die Umsätze als steuerpflichtig. Im Juli 2011 wurde über das Vermögen der B das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Das FG wies die Klage ab. Hiergegen legte der Kläger Revision ein. Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Gründe:
§ 4 Nr. 11b UStG ordnet in seiner heute geltenden Fassung unter Bezugnahme auf das unionsrechtlich harmonisierte Postrecht eine Umsatzsteuerfreiheit sog. Post-Universaldienstleistungen an.

Mit der Vorlage im ersten Fall (V R 8/16) soll geklärt werden, ob es sich bei der förmlichen Zustellung von Schriftstücken nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze über die Verwaltungszustellung nach § 33 Abs. 1 des Postgesetzes um eine Post-Universaldienstleistung handelt und ob diese Leistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem als unionsrechtlicher Grundlage von § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei ist. Die Vorlage im zweiten Fall (V R 30/15) bezieht sich auf eine frühere Gesetzesfassung von § 4 Nr. 11b UStG. Die Finanzverwaltung sieht derartige Leistungen allgemein als umsatzsteuerpflichtig an.

Die Umsatzsteuerfreiheit bezieht sich nach bisheriger Rechtsprechung auf postalische Dienstleistungen, die den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen und die damit den gesamten Universalpostdienst in einem Mitgliedstaat oder einem Teil davon gewährleisten.

Für eine Steuerfreiheit auf dieser Grundlage spricht aus Sicht des BFH, dass förmliche Zustellungen wie im behördlichen Postverkehr der nachprüfbaren Zustellung von amtlichen Schreiben dienen. Sie ermöglichen die nachprüfbare Zustellung von Klage- und Antragsschriften oder die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen, wodurch Rechtsmittelfristen in Lauf gesetzt werden. Förmliche Zustellungen sind unabdingbar für ein geordnetes Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren und tragen damit zu einer verlässlichen und ordnungsgemäßen Rechtspflege bei.

Gleichwohl bestehen Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts, so dass eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen war.

Linkhinweis:

  • Die Volltexte der Entscheidungen sind auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung V R 8/16 zu kommen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext der Entscheidung V R 30/15 zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 1 vom 3.1.2018
Zurück