Falsche Rechtsbehelfsbelehrung bei Kindergeldrückforderungsbescheiden
FG Köln 24.6.2014, 1 K 3876/12 u.a.Die Beteiligten in den Fällen Az.: 1 K 3876/12 sowie 1 K 1227/12 stritten im Rahmen eines Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsverfahrens über die wirksame Einspruchserhebung außerhalb der gesetzlichen Monatsfrist. Die Bescheide waren auszugsweise mit folgender Rechtsbehelfsbelehrung versehen:
Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens.
Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Die Frist für die Einlegung eines Einspruchs beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem Ihnen der Bescheid bekannt gegeben worden ist. Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post bzw. bei Übermittlung im Ausland einen Monat nach Aufgabe zur Post als bewirkt, es sei denn, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Zustellung durch Zustellungsurkunde oder durch Einschreiben mit Rückschein oder gegen Empfangsbekenntnis ist Tag der Bekanntgabe der Tag der Zustellung.
Auch wenn Sie Einspruch einlegen, müssen Sie den Erstattungsbetrag bis zum oben genannten Fälligkeitstermin begleichen.
Hinweise:
Wenn Sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden sind, werden Sie sich bitte an Ihre zuständige Familienkasse.
Bei Fragen zur Rückzahlung werden Sie sich bitte unverzüglich an das Regionale Forderungsmanagement
Das beklagte Finanzamt Recklinghausen hatte in beiden Fällen den Einspruch als unzulässig verworfen. Die Kläger verlangten Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist. Im Fall Az.: 1 K 1227/12 machte der Kläger geltend, dass die Rechtsbehelfsbelehrung irreführend sei.
Das FG gab den beiden Klagen statt. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen, weil die Entscheidung über die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung für eine Vielzahl von Aufhebungs- und Rückforderungsbescheiden der Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit von Bedeutung ist.
Die Gründe:
Zu Unrecht hat das Finanzamt die Einsprüche als unzulässig verworfen, denn die Kläger hatten die Einspruchsfrist bereits deshalb nicht versäumt, weil die Beklagte den Klägern in ihren Aufhebungs- und Rückforderungsbescheiden nicht in der nach § 356 Abs. 1 AO vorgeschriebenen Form belehrt hatte, mit der Folge, dass die Einspruchsfrist von einem Monat gem. § 355 Abs. 1 AO nicht in Gang gesetzt wurde und der Kläger den Einspruch daher innerhalb eines Jahres wirksam einlegen konnte.
Unrichtig i.S.d. § 356 Abs. 2 S. 1 AO ist eine Belehrung zum einen dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder unvollständig ist. Unrichtig i.S.d. Vorschrift ist eine Rechtsbehelfsbelehrung aber auch dann, wenn sie Informationen enthält, die über den gesetzlich erforderlichen Mindestinhalt hinausgehen und diese Informationen bei objektiver Betrachtung dazu geeignet sind, die Möglichkeiten der Fristwahrung zu gefährden. Im vorliegenden Fall war bereits zweifelhaft, ob die Rechtsbehelfsbelehrungen der Beklagten den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung genügten.
Die von der Beklagten verwendete Rechtsbehelfsbelehrungen gingen insoweit über den notwendigen Mindestinhalt nach § 356 Abs. 1 AO hinaus, als sie unabhängig davon, ob dies im konkreten Einzelfall von Bedeutung war, direkt ab dem zweiten Satz darüber belehrten, wann ein Einspruch ausgeschlossen ist und erst danach - für den Fall, dass der Einspruch nicht ausgeschlossen ist - zu den notwendigen Angaben über die zuständige Behörde und die Frist Stellung nahmen. Dies führte dazu, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen inhaltlich überfrachtet und unübersichtlich waren und insbesondere in Fällen wie den hier vorliegenden, in denen kein Fall des Ausschlusses vorlag, jedenfalls bei einem juristischen Laien zu Verwirrung und Verunsicherung führten.
In ihr Gegenteil verkehrt wurden sodann die zuvor erteilten Belehrungen, dass der Bescheid durch einen Einspruch innerhalb eines Monats schriftlich angefochten werden konnte, durch den unmittelbar folgenden Hinweis, dass sich die Kläger an die zuständige Familienkasse wenden sollten, wenn sie mit der oben aufgeführten Forderung grundsätzlich nicht einverstanden seien. Dieser Hinweis erweckte den Eindruck, dass unabhängig von der - fristgebundenen - Einspruchseinlegung, die weitere Möglichkeit bestand sich - ohne Einhaltung einer Frist - an die Familienkasse zu wenden. Dieser Eindruck wurde verstärkt, durch den Hinweis unter Angabe einer Telefonnummer, dass der Adressat des Bescheides sich bei Fragen zur Rückzahlung des Kindergeldes an das regionale Forderungsmanagement wenden sollte.
Dass diese Art der Rechtsbehelfsbelehrung tatsächlich missverständlich war und geeignet die Möglichkeit der Fristwahrung zu gefährden, zeigte sich auch in der Vielzahl der gerichtlichen Kindergeldverfahren, in denen Einsprüche bei der Regionaldirektion NRW in Recklinghausen eingelegt worden waren.
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Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
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