06.08.2018

Festsetzungsverjährung: Ablaufhemmung durch Beginn einer Fahndungsprüfung

Eine Prüfungsdauer von nahezu vier Monaten spricht für sich gesehen dagegen, eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn und damit eine Prüfung nur "pro forma" anzunehmen. Der BFH hat erläutert: "dass eine Außenprüfung nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen ist, wenn die bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen entweder bezogen auf den gesamten Prüfungsstoff nach Umfang und zeitlichem Aufwand ein erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben".

FG Düsseldorf 28.6.2018, 9 K 2592/16 E,AO
Der Sachverhalt:

Die Kläger sind für die Streitjahre 1999 und 2000 zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Die angefochtenen Steuerbescheide vom 15.1.2014 beruhen auf einer Selbstanzeige und den Ergebnissen einer Steuerfahndungsprüfung vom 26.8.2013. Die Steuererklärungen waren für den Veranlagungszeitraum 1999 in 2001 und für 2000 in 2002 abgegeben worden. Die Steuerbescheide wurden sodann am 30.4.2001, 19.2.2002, 21.8.2002 und am 16.5.2003 erteilt. Die Steuer wurde schließlich nach einer Betriebsprüfung mit geänderten Bescheiden vom 17. und 19.8.2005 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung festgesetzt. Die dagegen eingelegten Einsprüche wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen wurden zunächst (antragsgemäß) ruhend gestellt. Das Ruhen und die Einspruchsverfahren wurden durch Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b AO vom 22.7.2008 beendet.

Am 7.2.2010 erstatteten die Kläger eine Selbstanzeige gem. § 371 AO. Sie erklärten bis dahin steuerlich nicht erfasste Einkünfte aus Kapitaldepots. Am 23.4.2010 wurde deshalb ein Strafverfahren wegen der Veranlagungszeiträume 2004 bis 2007 eingeleitet und am 5.5.2010 ein Prüfungsauftrag an die Steuerfahndung erteilt: Diese forderte noch am gleichen Tag bei den Klägern binnen einer Frist von vier Wochen Unterlagen über die Depots bzw. Konten bei den beiden Banken betreffend die Jahre ab 1999 an. Am 17.6.2010 wurden daraufhin der Fahndungsprüferin drei Ordner mit Unterlagen übergeben. Bei der Übergabe wurden die Unterlagen in einem ca. 45 Minuten währenden Gespräch erläutert. Die Prüferin wies darauf hin, dass noch weitere Unterlagen bezüglich der sog. schwarzen Fonds erforderlich seien. Diesbezüglich wurde dann am 17.8.2010 ein vierter Ordner beigebracht und der Prüferin übergeben.

In der Folgezeit erfolgten keine nach außen erkennbaren Prüfungshandlungen der Fahndungsprüferin. Am 17.6.2011 erkundigte sich der Bevollmächtigte der Kläger telefonisch nach dem Bearbeitungsstand. Ihm wurde mitgeteilt, dass auf Grund zahlreicher großer Steuerfahndungsfälle noch keine Bearbeitung der Unterlagen der Kläger habe stattfinden können. Eine weitere telefonische Nachfrage am 13.4.2012 führte zu der Auskunft, dass die Bearbeiterin noch nicht zur Bearbeitung gekommen sei. Am 19.8.2013 teilte die Fahndungsprüferin telefonisch mit, dass sie die Unterlagen ausgewertet habe und noch zu einem weiteren Depot Angaben benötige. Ihr wurde mitgeteilt, dass dieses Depot der Mutter der Klägerin gehört habe.

Schließlich ergingen auf Grundlage des Prüfungsberichts vom 26.8.2013 am 15.1.2014 gestützt auf § 173 AO die geänderten und angefochtenen Einkommensteuerbescheide. Die Kläger rügten die Verletzung der Festsetzungsverjährung. Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:

Es wird durch Zwischenurteil festgestellt, dass die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen wurden.

Die Festsetzungsverjährung für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 war zum Zeitpunkt des Erlasses der geänderten Einkommensteuerbescheide am 15.1.2014 noch nicht eingetreten. Die durch Vollendung des Tatbestandes einer Steuerhinterziehung verlängerte Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO) endete unter Berücksichtigung der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31.12.2011 für das Streitjahr 1999 und am 31.12.2012 für den Veranlagungszeitraum 2000.

Die Verjährungsfrist wurde nicht schon wegen der seinerzeit in 2005 eingelegten Einsprüche gem. § 171 Abs. 3a AO in ihrem Ablauf dauerhaft gehemmt. Denn durch die Allgemeinverfügung vom 22.7.2008 wurde der Einspruch "insoweit zurückgewiesen" und das Einspruchsverfahren beendet. Die entschiedene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen war der einzige streitige Punkt, so dass kein Anlass für eine Fortdauer des Einspruchsverfahrens bestand. Der Einspruch hatte "insoweit" und damit vollumfänglich keinen Erfolg. Die Äußerungen in der Kommentarliteratur, auf die der Beklagte hingewiesen hatte, führten zu keinem anderen Ergebnis. Sie ist möglicherweise missverständlich.

Der Fristablauf wurde gem. § 171 Abs. 5 AO durch den Beginn der Steuerfahndungsprüfung gehemmt. Der zeitliche Ablauf zeigt, dass es nicht zu einer Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung kam, denn eine Prüfungsdauer von nahezu vier Monaten spricht für sich gesehen dagegen, eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn und damit eine Prüfung nur "pro forma" anzunehmen. Der BFH hat erläutert: "dass eine Außenprüfung nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen ist, wenn die bis zur Unterbrechung vorgenommenen Prüfungshandlungen entweder bezogen auf den gesamten Prüfungsstoff nach Umfang und zeitlichem Aufwand ein erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben". Dem schließt sich der Senat an. Für den vorliegenden Fall heißt dies, dass keine Prüfung "pro forma" begonnen wurde, mit dem Zweck eine Verlängerung der Verjährungsfrist herbeizuführen.

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